Weinfreunde und weinfanatic geniessen immer wieder einen guten Tropfen. Hier finden sich die dazugehörigen Notizen.
«GLÜCKSWEINE»
Alte Reben, Riesling, Markus Molitor, 2013
Weinbewertung: 3. November 2016
Herkunft: Deutschland, Mosel/Saar
N: Aprikosen, Litschi, Pfirsich, helle Blüten
G: Honig, Kreide, tropische Früchte
WF: 8.5 [sehr gut]
Bezugsquelle: Vinexus CH | Eurowein Kontor DE
Preis: CHF ~29.- | EUR ~20.-
Kommentar: Das Haus Markus Molitor ist ein Granitmonument im Schieferland! Das schön gelegene Weingut, direkt an der Strasse runter zur Mosel gelegen, ist einladend und führt äusserst professionelle Verkostungen durch. Will man noblen und feinen, trockenen oder edelsüssen Riesling trinken, führt kein Weg an ihm vorbei. Doch Molitor ist auch gut für richtiggehende Verkostungs-Wellness: Ist mal der Gaumen nach dutzenden Rieslingen leicht angegriffen und will man ihm mal eine Pause gönnen, ist MM der
richtige Therapist dafür. Denn seine Rotweine sind von erster Güte und Qualität. Kein Besuch an der Mosel sollte enden ohne, dass man seine Pinot Noirs verkostet hat!
Der Riesling 2013 Alte Reben von der Saar ist sicherlich nicht DER Tropfen der dem Weingut als Signiture-Wein dient. Da gibt es andere Nektare, welche dies spielender schaffen. Andersherum ist der Alte Reben von der Saar wohl eben genau einer der Gründe dafür, dass Markus Molitor so viel gerechtfertigten Erfolg hat. In Deutschland, Europa und weltweit. Ein trockener Riesling der genau das auszudrücken vermag was diese einzigartige Traubensorte so wahnsinnig attraktiv und unwiderstehlich macht. Es ist die Paarung zwischen Frische, dezenter Zugänglichkeit, Mineralität, schlankem Körper und Trinkzug der alle anderen Weissweintraubensorten in die Schranken weist. Was hier mit diesem Riesling gezeigt wird, ist schlicht grandios.
Die honig-goldige Farbe verleitet dazu eher an Dichte und Üppigkeit zu denken. Doch bereits das erste Riechen am Glas straft die Fantasie. Frische Aprikosen, eine Spur Limetten und helle Blüten eröffnen das Aromenballett. Am Folgetag nochmals verkostet, zeigt er zusätzlich reife Pfirsiche und etwas Gummi. Am Gaumen betört er mit Honig, etwas Kamille, tropischen Früchten und einer Ahnung von Kreide. Dazu ist die Säure angenehm spritzig und weist die leichte Süsse dezent aber bestimmt in die Schranken.
Rieslinge vom Schlage eines Markus Molitor Alte Reben von der Saar haben bereits mehrmals bekennenden und überzeugten Weisswein-Nichttrinkern ein wohliges Seufzen entlocken können. Dicht darauf folgte dann der Ausruf: «Wow, schöner Weisswein»!! Das sind Momente die jeden Gastgeber glücklich machen.
«HO-HO AUS PURER LUST»
Mayschoss-Mönchberg, Pinot Noir, Josten&Klein, 2012
Weinbewertung: 28. Oktober 2016
Herkunft: Deutschland, Rheinland-Pfalz
N: Erd- und Himbeeren, Süsse, Blutorange, rauchig
G: Fett, Cremigkeit, Tabakblätter, brauner Zucker
WF: 8.5 [sehr gut]
Bezugsquelle: Wyhuus am Rhy CH, Produzent DE
Preis: CHF ~30.- | € ~20.-
Kommentar: Es war ein klassischer Abend an der Expovina in Zürich vor einem Jahr. Nach den thematisch sortierten Verkostungsreihen an drei verschiedenen Tagen, folgte am Schluss [wie immer] ein sogenannter «HoHo-Abend» [Hop-on-Hop-off…]. Dabei wird nach Lust und Laune sowie ohne Plan verkostet. Querbeet. Nun gut. Aus purer Lust. Manche sagen dem auch: Saufen!
So kam also das Eine zum Anderen. In einem der äusseren Schiffe im Bug war ein kleiner Weinhändler versteckt, wessen Fokus stark auf deutschen Weinen lag. Etwas ratlos schlenderte man also vorbei und erhaschte einen Blick auf den Pinot Noir von
Josten&Klein. Zu so später Stunde sollte man sich besser etwas gönnen, das weich, leicht und ohne viel Rums ist. Warum also nicht diesen uns bis dato unbekannten Pinot aus dem Norden versuchen? Ab ins Glas! Die Vorstellung war, dass dieser Tropfen eher kühl, vermutlich filigran und süffig sein dürfte.
Von wegen! Der Wein ist eine wahre Bombe. Nichts da mit heller Farbe. Der ist richtig dunkel und wohl durch die Nichtfiltration mit leichter Trübung im Glas. In der Nase überrascht eine frische Note, welche zuerst nicht richtig zugeordnet werden kann. Im ersten Moment muss ich passen und gebe mich mit der üblichen Pinot-Erd-Himbeeren-sowie-einem-Schuss-Kirschen-Erklärung zufrieden. Das mehrmalige Schnuppern ermöglicht es dann, sich langsam etwas näher ran zu tasten: Frische, Minzigkeit, doch auch Zitrusaromen, leicht metallisch…Blutorangen! Wenn man es weiss, springen sie einen förmlich aus dem Glas entgegen. Wundervoll! Am Gaumen ist es dann viel Cremigkeit, die zusammen mit Kraft und schöner Säure dem Wein einen wohlgeformten Body oder Struktur verleihen. Das Tannin ist nicht wirklich wahrnehmbar und eher hintergründig. Ein Hauch Rauchigkeit und Noten von Schiesspulver sind ebenfalls zu erahnen. Trockene Tabakblätter und Süsse die an braunen Zucker erinnert, kicken den Gaumen. Der Abgang ist ewig und hallt lange nach. Ein toller Pinot aus Deutschland.
Ein kleines Manko muss man dem Mayschoss-Mönchberg vielleicht noch andichten. Kühl, subtil und fein ist anders. Der Tropfen ist eher ein auf Finesse getrimmter Amerikaner. Blind verkostet wäre dieser eher in die Ecke «neue Welt» gestellt worden. Er ist unheimlich geschmeidig, rund, balsamisch und wahrlich geil. Was ihn aber von einem kühlen «klassisch-europäischen» Pinot unterscheidet? Es ist die Trinkigkeit und damit der Trinkfluss. Das erste Glas ist rasch verschlungen. Beim zweiten geht es etwas langsamer zu und her. Ein drittes braucht Überwindung. Nichtsdestotrotz ein toller Wert der überrascht und bis zu einem gewissen Grad aufzeigt, was auch in nördlichen Breitengraden alles möglich ist.
«TRIOLOGIA: B»
Kung Fu Girl, Gran Enemigo, Léoville Barton
Weinbewertung: 22. Oktober 2016
Herkunft: USA, Argentinien, Frankreich
«B» wie «bold», breit, Bordeaux, Burgund oder Chevalier B! Das genügt schon, um zu wissen was geht wenn man eingeladen wird. Mit Sicherheit wird's gut und önologisch auf keinen Fall «leise». Tatsächlich: Es gab ein Trio Infernale aus Kung Fu Panda, einem argentinischen Tangotänzer sowie einem aquitanischen Herzensbrecher. Drei klasse Begleiter durch den Abend. Chevalier B: THX for the experience!
***
«KUNG-FU-PANDA äääh GIRL»
2014, Riesling, Washington State, USA
Wunderbar mineralisch für einen Amerikaner. Hatte diese Woche einige Rieslinge in der Pfalz [für das doppelte Geld...] die bedeutend weniger Spass machten. Hätte ihn blind und ohne lange zu überlegen glatt
irgendwo ins Heimatland des Rieslings eingeordnet. Vielleicht als einen von der etwas üppigeren Sorte und mit einem Hauch Süsse im Abgang. Echt baff, dass der so schön gelungen ist. TöpTöp für einen Tropfen um €10 bzw. CHF 15.-
WF: 8.0 [wahre Klasse aus United Stations]
«GRAN ENEMIGO»
2010, Mendoza, Argentina
Dunkelbeerig und doch fein. Kräftig und edel. Schöne Frucht und angenehm-weiche Tannine. Geschmeidig und äusserst animierend. Der hohe Anteil an Cabernet Franc verleiht ihm wunderbare Finesse, Mineralität und Länge. Toller und bisher unbekannter Wein aus der Familie Catena. James Suckling hat echt Ahnung [😜😉] ihn mit 98 von 100 möglichen Punkten zu ehren! Stolzer Preis für allerdings sehr gute Leistung!
WF: 8.5 [virtuos - für sich alleine vielleicht sogar einen halben Punkt mehr...doch dann kam Léo...]
«CHÂTEAU LÉOVILLE BARTON»
2007, Saint-Julien, Bordeaux, Frankreich
Unheimlich viel mehr von allem.... Stufen, Nuancen, Würze, Tiefe, Struktur und Komplexität als der vorhergehende Wein. Es ist sowas von klar, dass es ein BORDEAUX ist!!!! Viel Schokolade und Tabakblätter. Zigarre, Gewürze, trockene Kräuter und eine Spur von Frische in Form von Eukalyptus. Ein Hauch von feinen Reifenoten [helles Leder] begleitet ihn bereits. Im Abgang ist er dann auch jahrgangstypisch einen Tick zu kurz. Doch trotzdem ungemein gut und geschmeidig.
WF: 9.0 [sehr gut - ein 2007er der nicht enttäuscht]
«KRUMME DINGER»
Crooked Vines, Secret Spot Wines, 2009
Weinbewertung: 16. Oktober 2016
Herkunft: Portugal, Douro
N: Schieferplatten, staubig, Heidelbeeren, Cassis
G: Leicht metallisch, kräftige Säure, üppige dunkle Früchte, tintig
WF: 8.0 [gut in der Jugend bis sehr gut]
Bezugsquelle: Amarela (CH) | Uvinum (DE)
Preis: CHF 39.90 | € ~20.-
Kommentar: Es gibt Weine die packen Dich! Ja, im wahrsten Sinne des Wortes: Man kommt von ihm irgendwie nie mehr weg. Wie bei der ersten grossen Liebe: Man denkt oft an sie. Wehmütig, gespalten, lächelnd, traurig und erfüllt. So ist es manchmal bei gewissen Weinen. Jeder Jahrgang wird verkostet und oft ist man regelrecht verzückt. Ein wenig in diese Richtung geht die Beziehung zum «Crooked Vines». Es ist das Produkt alter und krrummer Rebstöcke mit schöner cremiger Dichte, Konzentration sowie unheimlich dunkler und balsamischer Frucht.
Crooked Vines ist eine Linie welche zusammen mit anderen Weinen zur Gruppe «Secret Spot Wines» gehört. Das Weingut ist wunderschön auf einem Hochplateau gelegen. Kein Douro weit und breit. Nur Hügelzüge, Wind und grünes Rebland soweit das Auge reicht. Der Wind zieht an den Kleidern und man spürt beim Besuch vor Ort regelrecht, dass hier ein anderes Mikroklima als unten am Fluss herrscht. Der Wind formte ebenfalls die alten und namensgebenden Reben
des Tropfens. Der Empfang 2014 war [leider] eher technisch und etwas emotionslos. Bevor das Finanzielle [!] nicht geklärt war, ging wenig bis nichts. Wir waren schon bei vielen renommierten Weingütern. Doch nicht mal bei den wirklich grossen Namen wurde so ein Brimboruim darum gemacht ob ein Besuch möglich war. Um es vorwegzunehmen: Die Führung durch das Weingut, Reben und Keller war dann doch etwas enttäuschend. Eine wirkliche Vision war nicht zu erkennen oder wurde nicht preisgegeben. Doch manchmal sprechen ja bekanntlich die Weine die direktere Sprache als die Winzer selbst...
Im Glas hat der Crooked Vines des Jahrgangs 2009 noch viele junge und sehr typische violette Reflexe am Rand. Gegen die Mitte wird er dichter, dunkler und undurchdringlicher. In der Nase ist er derzeit eher unbestimmt. Irgendwie weiss er noch nicht wirklich wohin er will. Die Nase beherrschen steinige und felsigen Aromen. Schiefer, Staub und Bleistiftmine wirken etwas steif. Es fehlt eindeutig die unheimlich tiefe Nase, welche die Erinnerungsrezeptoren für diesen Jahrgang abgespeichert haben. In der Vergangenheit war der Tropfen üppiger, dicklicher, konkreter und präziser. Nun ist er stiller und subtiler. Nicht nur deswegen aber auch dadurch ist er weniger überzeugend.
Am Gaumen fällt zuerst die lebendige Säure auf. Dann zerfällt der Wein auf der Zunge und wirkt dadurch irgendwie löchrig und durchlässig wie ein Schweizer Käse. Als ob die Säure Gucklöcher in den Weinmantel brennen würde. Im Abgang hat man metallische Assoziationen. Doch auch Tinte und dunkle Beeren wirken mit. Leider ist der Crooked Vines 2009 nicht mehr das bekannte Orchester das im präzisen Takt spielt.
PS: Ein wahrer Killer im Glas ist der Topwein «Secret Spot» des Weinguts. In der Jugend unheimlich schmeichelnd, voller Balance mit gleichzeitiger Tiefe und grossartiger Kraft. Im Alter entwickelt er sich in Richtung eines guten Bordeaux aus Pauillac. In der Schweiz wird der Wein als Marketingprodukt verkauft. An ihm haftet die Geschichte, dass nur der Winzer und eine Hand voll Helfer die Herkunft der Trauben – aus denen der Wein gemacht wird – kennen. Darum sei der Name gewählt worden. Wer’s glaubt, wird seelig. Und: Who the fuck cares!? Mit der Geschichte haftet jedoch auch mehr als der doppelte Preis als jeder der Flaschen im Vergleich zum Heimatland...Crooked Story...
«Ä GEIL ONE!!!»
Merlot Baladello, Ferghettina, 2011
Weinbewertung: 2. Oktober 2016
Herkunft: Italien, Lombardei
N: Stoffig, Pfeffer, Boysenbeere, mineralisch
G: Dicht, geschmeidig, Schiefer, dunkelbeerig
WF: 8.5 [sehr geil]
Bezugsquelle: Vini Sacripanti
Preis: CHF 30.-
Kommentar: Kleine Vorbereitung auf einen Franchiacorta-Trip! Nach der Italien-Degustation vor zwei Wochen, nun eine ganze Flasche des überraschenden und ausgezeichneten Merlot «Baladello» zum italienischen Essen. Klar: Franciacorta... da sollte man doch eigentlich
bitteschön «Spumante» trinken: Franciacorta – den italienischen Champagner quasi. Vielleicht muss man für «Sprudelndes» irgendwie bereit sein. Offenbar bin ich es bei weitem [noch?] nicht. Es gibt aber sogar bei mir Ausnahmen. Zum Beispiel um einen schön sämigen Risotto zu kochen. Um Geburtstage gebührend einzuläuten und zu feiern. Oder [bei sich bietender Gelegenheit] um Sprudelndes aus einem schönen Bauchnabel zu schlürfen. Sonst? Leere Menge…
Darum also der Merlot! Es gibt sie, die paar Produzenten, welche trotz allem stille Weisse und geschmeidige Rotweine südlich des Lago d'Iseo produzieren. Einer von ihnen: Ferghettina oder besser gesagt Roberto Gatti. Sein Baladello ist unheimlich dicht und tief. 14 Monate Barrique und 10 weitere in der Flasche haben ihm Struktur, Würze und etwas Pfeffrigkeit [sanft!] verliehen. In der Nase hat er diese für Merlot relativ typische Stoffigkeit. Doch da mischen auch Pfeffer, düstere Schieferaromatik sowie etwas rötliche Boysenbeeren mit. Am Gaumen hat er weiche Dichte und eine schöne Anmut. Wiederum dunkle Beeren und steinige Nuancen.
Trotz seiner homöopathischen 13 Volumen Alkohol wirkt er kraftvoll. Daneben auch schnittig und frisch. Gut und gerne hätte man hier auch einen schönen Barbera vermuten können. Denn, das Tannin ist fein, positiv geladen und schmeichelt. Die Säure erfrischt und macht ihn scharfkantig.
Ä very good one...
«ALTER AALTO? GEHT'S NOCH?!»
Aalto, Bodegas Aalto, 2006
Weinbewertung: 8. Oktober 2016
Herkunft: Spanien, Ribera del Duero
N: Maggi, Schokolade, Rosmarin, Kiesel, Champignons
G: Rosinen, Minze, gute Säure, wärmt hinten, Vanille
WF: 8.5 (sehr gut bis ausgezeichnet)
Preis: ca. CHF 44.- | € 28.-
Bezugsquelle: Casa del Vino (CH) | Silkes Weinkeller (DE)
Kommentar: Der Tropfen hat einen vernünftigen Preis, gute bis geile Leistung, macht bei [fast] jedem Essen eine unwahrscheinlich gute Figur und die/den Gastgeber/in froh. Bisher ging es dem Aalto ausschliesslich an den Kragen wenn er maximal 3-5 Jahre gelegen bzw. relativ frisch war. Manchmal pumpten wir uns das Zeug rein sobald er mehr oder minder in den Handel kam. Nie gab es eine Enttäuschung.
Die vorliegende Flasche war ein schönes Götti-Geschenk mit selbst geklebter persönlicher «Über-Etikette».
Dies erklärt auch das etwas «verwegen» wirkende jedoch altbekannte Originalkleidchen des Weins. Die Flasche lag also unüblich lange im Keller bevor sie zur Schlachtbank geführt wurde. Ein 10 Jahre «gereifter» Aalto. Die Spannung war gross. Der Erstschnupperer am Korken zeigte sich überraschend lebendig und verführte mit der üblich attraktiven Aromatik, die ins Frische, Minzige und Düsterdunkle [Grafit] ging.
Im Glas und in der Nase dann zeigte der Tropfen leider bereits starke Maggiwürze. Viel Reife in Form von Leder- und Waldbodenaromen. Scheues Rosmarin und etwas Kiesel dienten als kleines Frucht-Feigenblatt. Hm...ein ziemlich nackter alter Aalto war das. Doch am Gaumen setzte sich der Eindruck nicht weiter fort: Süsse dunkle Pflaumen, Rosinen, Minze und in der Länge viel Eukalyptus und auch Frische brachten good old Aalto wieder ins Spiel. Je länger er offen war, umso mehr baute er überraschenderweise wieder auf. Nichts war mehr da von dieser Schlappheit, welche er zu Beginn zeigte. Der Abgang war immens lang und schlug schön zuverlässig mehrmals wieder nach.
Natürlich reden wir hier von einem Wein, der dicht, fett, bombig und als «Cindy von Marzahn» an einer Modelveranstaltung teilnimmt. Doch, trotz allem bleibt er einem sympathisch und wie wir im Süden sagen «gmöggig» in Erinnerung. Zudem lernen wir nun dazu, dass Aalto auch durchaus altern kann und nicht nur ein moderner «Spassmacherweinmitambitionen» ist. Nein, man kann ihn also ernst nehmen und länger im Keller liegen lassen.
Das Weingut Aalto produziert im Jahr rund 250'000 Flaschen des besagten Tropfens. Sage und schreibe 30% der Gesamtproduktion gehen alleine in die Schweiz und finden gelinde gesagt reissenden Absatz zu einen für Schweizer Verhältnisse meist fairem Preis von CHF ~30.- Somehow Swiss Economy Class.
«ROMANTISCHER FOKUS»
Volpolo, Sapaio, 2008
Weinbewertung: 22. September 2016
Herkunft: Italien, Toskana
N: Schöne Würze, Lavendel, Zedernholz, Peperoni
G: Tabak, Mokka, Kaffeebohne, Lederanklänge, Pflaumenkompott
WF: 8.5 [sehr gut bis ausgezeichnet]
Bezugsquelle: Gastrovin (CH), Vicampo (DE)
Preis: CHF ~30.- | EUR ~25.-
Kommentar: Weingüter die fokussiert produzieren, sind irgendwie sympathisch. Bei ihnen hat man das Gefühl, dass sie ihre ganze Kraft konzentrieren und in die wenigen Preziosen einbringen. Nichts gegen Produzenten mit einer Palette von zwei Dutzend Weinen. Doch wieviel Emotionen, Passion, Power und Eigenidentifikation kann man in jeden der 24 verschiedenen Weine schon stecken? Im Vergleich dazu geht ein Winzer mit bloss zwei Weinen mit diesen viel eher um, als seien es seine Kinder. Oder auch nicht. Vielleicht. Die Vorstellung ist jedenfalls ganz schön romantisch. Nun wieder zurück in die Spur…
Sapaio ist ein fokussiertes Weingut. Kein Weisswein, Rosé oder andere Spielereien. Ein guter und ein grosser Wein: Volpolo und Sapaio. Full Stop! Gerade mal 80‘000
– 100‘000 Flaschen verlassen jährlich das Weingut. Beide Tropfen sind typische Bordeaux-Blends: Hoher Anteil Cabernet Sauvignon, ein wenig Merlot (Sapaio) oder Cabernet Franc (Volpolo) sowie
Petit Verdot. Jung getrunken, ist es schwierig die «aquitanische Verwandtschaft» tatsächlich zu bemerken. Doch im Alter ist sie voll da.
Der Volpolo ruht 14 Monate in Barriques und 6 Monate in der Flasche bevor er in den Verkauf gelangt. Der 2008er präsentiert sich nun nach 8 Jahren Lagerung noch ziemlich kräftig und jugendlich. Die Farbe ist dunkel, deckend, undurchdringlich und brillant glänzend. In der Nase steigt zuerst ein schöner Aromenstrauss verschiedener mediterranen Gewürze und Macchia auf. Begleitet wird das Ganze von ätherischem Zedernholz, ein wenig Lavendel und grünen Peperoni. Vor allem die letzteren Ausprägungen finden wir sehr typisch für einen Medoc vom linken Ufer.
Am Gaumen setzt sich der Eindruck weiter fort. Schön ist die noch frische Säure! Tabak, Kaffeebohnen und Mokka massieren die Schublade zu Beginn. Es folgen ein wenig später erste Anklänge beginnender Reife: Pflaumenkompott und feine helle Lederaromen ziehen ihre Spur. Das Tannin ist bemerkenswert kräftig. Man ist sich nie ganz sicher ob der Junge noch ein wenig Zeit gebraucht hätte, oder ob die ungestüme Art irgendwie zu ihm gehört. Der Alkohol ist mit 14.5 Volumen am oberen Limit. Trotzdem ist dieser – bedingt durch die stützende Säure – gefühlt nicht sehr ausgeprägt und dadurch kaum wahrnehmbar. Nur das Tannin ist etwas bockig und will sich nicht so richtig vor den Karren einspannen lassen. Der Volpolo 2008 ist wohl auf dem Zenith und wird nicht mehr besser. Nur anders.
Der Besuch des Weinguts – sofern man es denn mal findet – ist trotz oder vielleicht gerade wegen der Fokussierung auf zwei Weine, ausgesprochen zu empfehlen. Bedingt durch die unwahrscheinlich akkurat gepflegten und schönen Weinberge, die auffallenden roten Ledersessel und sonstigen «kunstvoll» angehauchten Einrichtungsgegenstände bleibt das Weingut sowieso lange im Gedächtnis.
Unsere Verkostung fand in aller Herrgottsfrühe statt. Doch jede Schlafmütze wurde beim Eintreten in die Degustationsräume richtiggehend in die Realität gekickt. Die Krönung oder Erweckung gelang den beiden feurigen Südeuropäer [aus der Flasche] dann etwas später vollends.
«KALIFORNIEN MIT RÜCKFAHRSCHEIN»
Grgic, Plavac Mali, 2007
Weinbewertung: 16. September 2016
Herkunft: Kroatien, Pelješac
N: Zart, frisch, ätherisch, Gummi, Schwarztee
G: Schönes kräftiges Tannin, Tannennadeln, helles Leder, Hagenbutten/Schwarztee
WF: 9.0 [just great!]
Bezugsquelle: Grgić Vina
Preis: € 30.-
Kommentar: Grgich Hills Estate. Herrliche Weine aus Kalifornien. Vor allem der Chardonnay der renommierten Winery aus St. Helena geniesst einen legendären Ruf in der önologischen und önophilen Welt. Die meisten Liebhaber wissen nicht, dass Mike/Miljenko Grigich/Grgić 1958 und damit bereits im erwachsenen Alter nach Kalifornien emigrierte und sich dort unter anderem bei Mondavi die Sporen abverdiente, bevor er dann kleinere Parzellen selber übernehmen und mit einem Partner zur heutigen Grösse ausbauen konnte. Er war massgeblich am Erfolg der kalifornischen Weine beim «Judgement of Paris» 1976 beteiligt. Beim Mondavi‘s Cabernet Sauvignon des Jahrgang 1969 und Chateau Montelena Chardonnay 1973 war er für die Kelterung mitverantwortlich.
Trotz der Erfolge vergass er sein alte Heimat Kroatien nie. In den späten 90er Jahren des letzten Jahrhunderts/Millenniums gründete er auf heimischem Boden quasi das Gegenstück zum kalifornischen Weingut. Auf der Halbinsel Pelješac, in Sichtweite einer wunderschönen Bucht und des Dörfchens Tristenik fand er den richtigen Boden um sich nochmals zu verwirklichen. Das anfängliche lokale wie auch nationale Misstrauen gegenüber grossen Investitionen, perfektem Marketing und starkem Renommee wich über die Zeit. Hohe Qualität, die richtige Portion Bescheidenheit und grosse Marktakzeptanz machen Grgic Vina heute aus.
Die beiden vor Ort zu Verkostung stehenden Weine haben für lokale Gepflogenheiten einen verhältnismässig hohen Preis. Der Weisswein aus der an der kroatischen Küste verbreiteten Rebsorte «Posip» ist dicht, fett, deckend und etwas geräuchert. Kein Wein für jedermann. Der Rotwein ist üblicherweise tanninreich, ungestüm und mit einer ordentlichen Portion Holz gesegnet.
Nun, nach beinahe 10 Jahren scheint er sich beruhigt zu haben. Nicht nur das: Verdammt, ist das ein wunderschöner Tropfen! Vor der Verkostung gab es ein selten zuvor erlebtes Korkenmassaker. Oft ist so einem Gemetzel ein untrügliches Zeichen dafür, dass der Wein dahin ist. Doch diesmal nicht. Gut, dass wir der Tropfen heute «gefällt» und nicht 5 weitere Jahren zugewartet haben. Wer weiss ob er dann nicht hinüber gewesen wäre.
In der Nase ist er zurückhaltend. Ja fast schon zärtlich streichelt er die Nasenscheidenwände. Wenn man es weiss, hat er diesen typischen südosteuropäischen Aromentouch. Es ist eine Mischung aus verschiedenen Tees. Am ehesten Early Grey und Hagenbutten mit einem feinen Einschlag in Richtung Pfefferminz bzw. ätherischen Noten. Der Plavac Mali ist hell. Er könnte durchaus als Nebbiolo durchgehen. Doch nicht nur das Optische sondern auch die Art und Weise wie das Kerlchen im Glas langsam aber sicher zum Leben erwacht, erinnert an einen schönen alten Piemonteser [ohne krasse Ledernoten]. Ein wenig Gummi komplettiert dann das Bild.
Am Gaumen sind balsamisch-frische Aromen vorherrschen. Das Tannin ist nach wie vor präsent jedoch gleichzeitig auch sanft und weich. Ebenfalls Frische, Tannennadeln und helles feines Leder sind zu erahnen. Alles ist aber subtil. Der Abgang ist unheimlich lang. Minuten nach dem letzten Schluck frischt er minzig nochmals auf. Ein gutes Mahl braucht es zu diesem Wein eindeutig dazu. Ein kräftiges Stroganoff zum Beispiel wäre eine gute Wahl.
Der Tropfen ist für einen Topwein nach 9 Jahren schon ziemlich gereift. Dabei ist er nicht wirklich alt wenn man ihn mit Bordeaux vergleicht. Was fehlt, ist vielleicht eine Spur Jugendlichkeit. Der Wein ist mit seinen 15.1 Volumen Alkohol in Reichweite eines Amarones, wirkt jedoch nie überladen und ist schön beweglich in den Hüften. Der Plavac Mali von Grigic ist irgendwie ein Wein wie ein 60 jähriger Marathonläufer: Man sieht ihm an, dass er nicht mehr der Jüngste ist. Kann sein Alter aber schlecht einschätzen, weil er so konstant und verdammt schnell läuft. Immer wenn man das Gefühl hat, dass er eigentlich einbrechen müsste, gibt er noch einen drauf. Er läuft!...und kommt immer wieder zurück.
«MMMMMM….MARRY ME!»
Chateau Lagrange, Saint-Julien, 2009
Weinbewertung: 3. September 2016
Herkunft: Frankreich, Bordeaux
N: Unheimlich würzig, dunkelbeerig, Lärchenholz, Harz
G: Eukalyptus, Kaffee, Mokka, Vanille, Heidelbeeren
WF: 9.5 [da kommt noch mehr]
Bezugsquelle: diverse Händler [z. B. Riegger]
Preis: CHF 74.-
Kommentar: Hält der Wein was der Hochzeitsjahrgang verspricht?!? :-) ...oder so... Widerspiegelt er Geschmeidigkeit, Kraft, Würze, Tiefe, Spannung, Frische, unheimliche Länge, perfekte Symbiose und Equilibrium der Elemente?
Der Tropfen aus der Schmeichler-Appellation Saint-Julien ist schlichtweg wunderschön. Es ist üblicherweise die Balance, die wohl einerseits das Können grosser Bordeaux-Châteaux und andererseits hervorragende Jahrgänge ausmacht. Der eine oder andere mag an der These vom grossen Château bei Lagrange zweifeln. Fair enough. Aber ein grosser Jahrgang ist 2009 allemal!
Es ist einfach alles perfekt an dem Wein. Vermutlich ist er jetzt mit 7 Jahren auf dem Höhepunkt seiner Fruchtphase. Er ist ungemein charmant, offen, würzig und irgendwie absolut umarmend in der Nase. Es sind vor allem die süssliche Würze und die dunklen Beeren die den Spass eröffnen. Zu ihnen gesellen sich Hölzer- und frische Harznoten.
Am Gaumen ist der Lagrange balsamisch voll, mit Anklängen von Eukalyptus, dunklen Waldbeeren und «bohnigen» Noten in Richtung Kaffee und Mokka. Das Tannin, die Säure und der Alkohol sind ein Team. Einem Schweizer Ur-Uhrwerk gleich arbeiten sie präzis und geschlossen wie eine Einheit.
Nun dürfte wohl bald eine Ruhephase einkehren und der Schmeichler sich für eine Weile in sein Schneckenloch verziehen. Doch egal: Die nächste Flasche folgt im 5 Jahren. Danach harren vier weitere Flaschen aus. Einen 5 Jahreszyklus halten sie auf jeden Fall noch locker durch.
Finding: Ein sauguter Wein für den Hochzeits-Jahrgang und -tag...
«BRITNEY, PAMELA, WENDY»
Pinot Noir, Scott Family Estate, 2013
Weinbewertung: 27. August 2016
Herkunft: USA, Kalifornien
N: Erdbeercreme, Himbeeren, rauchige Würze
G: Süsse Beeren, spürbares Toasting, leichte Bitternote
WF: 8.0 (gut)
Bezugsquelle: Mövenpick Wein
Preis: CHF 35.-
Kommentar: Ein bisschen verstohlen dreht man sich zuerst nach links. Dann nach rechts. Schaut jemand? Nein? Gut! Nicht alle müssen wissen, dass man diese Art von Wein beziehungsweise gerade diesen Wein ziemlich gut mag. Muss man sich komisch vorkommen wenn man kalifornische Pinots unwiderstehlich findet? Lassen wir diese Frage mal kurz offen…
Kalifornische Pinots sind wie kalifornische Merlots, Cabernets, Syrahs oder Cheeseburger: FETT! Ja, fett im Sinne von überbordernd…of everything! Gut, es gibt die etwas leichteren, sanfteren und einen Hauch europäischeren Tropfen. Aus Monterey oder dem Alexander Valley und von einer Hand voll Winzern hergestellt. Doch die meisten kosten ein Vermögen. Der Scott von dem hier die Rede ist, ist jedoch alltagstauglich und in einem normalen Preisrange. Wie die Mehrheit seiner kalifornischen Weingeschwister ist er obszön, schwer, lecker und um es klar heraus zu sagen: Ziemlich G E I L!
In önologischen Masseinheiten gesprochen, fängt eine Verkostung dieser Preziosen recht oft mit einem üppigen Nasenbild an. Es geht über in einen vielfach deckenden Gaumen und endet zumeist wuchtig und alkoholstark im Abgang. Irgendwie sind sie Stars vom Schlage einer Britney Spears, Pamela Anderson oder Wendy Wopper. Im Weinformat.
Auf dem Etikett des Scott Pinot Noir steht zwar «Dijon Clone»…doch wo um Himmelswillen soll hier eine Carla Bruni versteckt sein? Unter dem Etikett? Nein – California stays California.
Einige Weingeniesser leben das aus. Sie gönnen sich des Öfteren einen im wahrsten Sinne des Wortes «vollmundigen» Pinot aus dem Golden State. Vielen anderen ist dieser Stil ein Greul. Schlanke, subtile, zurückhaltende, filigrane, noble und ach so edel-flüsternde Pinots aus dem Burgund oder anderen kühlen Gefilden müssen es sein. Ok! Die sind gut, sehr schön und manchmal gigantisch. Aber ab und zu einen Cali-Kracher im Glas zu haben, ist auch schön.
Der Scott Pinot Noir Family Estate 2013 ist ein Brecher. Jawohl. Er pflügt, rammt, überdeckt, pöbelt und schreit förmlich wenn man ihn verkostet. In der Nase sind es nicht burgundisch-zarte, kleine und duftende Walderdbeerchen. Nein, es sind die grossen Brummer die man hierzulande selber pflücken kann. Dazu riechen sie auch noch so als ob sie mit Vanillecreme überzogen wären. Irgend ein Witzbold hat dann noch ein paar Himbeeren in dieses Tutti-Frutti-Gemenge gemischt. Begleitet wird das Ensemble nicht etwa [wie in europäischen Gebieten häufig normal] von einem Hauch Röstung des zum 5. Mal benutzen Barriques. NEIN, Pamela trägt dieses rauchige neue Negligé offen zur Schau. Der «Anblick» ist das Gegenteil von dezent, zurückhaltend und subtil...aber lohnend :-)
Am Gaumen kommt im Gegensatz zu den tänzerischen, tiefen, leicht versteckten und intellektuellen Noten einfach eine Wucht zum Vorschein. Da wird nichts sublim ausgedrückt und in die Tiefe verbannt. Alles ist da in voller Pracht und Üppigkeit. Süsse rote Beeren werden von Cremigkeit getragen. Die leichte Bitterkeit im Abgang könnte ein Signal sein, dass überextrahiert wurde. Könnte. Wir nehmen es aber einfach hin als europäische Zimperlichkeit gegenüber pazifischer Grösse.
Britney Spears, Pamela Anderson, Wendy Wooper oder Carla Bruni? Irgendwie sind doch alle zum Anbeissen. Auf ihre eigene Art. Diejenigen Genussmenschen, welche sich der Verführung kalifornischer Weine öffnen, werde von ihrer Offenherzigkeit belohnt. Alle anderen haben es wohl nicht besser verdient, als ihr Leben lang in Unkenntnis und kühler Dunkelheit zu verweilen ;-)
PS 1
Bitte? Ja, die cool climate Pinots aus Kalifornien gibt es auch. Ja. Die soll man mal versuchen? Ja, die sind wirklich zurückhaltender. Aber auch etwa fünffach so teuer und in der Seele trotzdem Kalifornier.
PS2
Bitte? Banause? Mag sein. Man kann es auch einfach «offener Geist» nennen!
«BLAU…BLAU…BLAUBLÜTER»
Alfiera, Alfieri 2007
Weinbewertung: 23. August 2016
Herkunft: Italien, Piemont
N: Lakritz, Gummi, Teer, Amarenakirschen, gebrannte Heidelbeeren
G: Rundes Mundgefühl, nasser Asphalt, perfektes Tannin, Kaffee
WF: 9.5 (Bombe!)
Bezugsquelle: Flaschenpost | Weinkontor Scheucher
Preis: CHF 51.- | € 24.-
Kommentar: Was für eine Wucht! Aber Achtung: Es handelt sich hierbei nicht um einen Knaller der den Geniesser mit seiner schieren Kraft aus den Socken haut. Definitiv nicht! Dieser Barbera ist schlicht und einfach grandios.
Asti ist irgendwie das «Stiefkind» im Piemont. Neben den Regionen um Barolo und Barbaresco («Alba») scheint der Landstrich fast ein wenig verloren oder vergessen zu gehen. Völlig zu Unrecht! Geraten doch vor allem einige Barberas aus der Gegend sehr gut. Einen guten Job machen zum Beispiel die beiden Flaggschiffe oder Schlachtrösser «Braida» und «Coppo». Etwas im Hintergrund aber nicht minder gut, gibt es noch «Alfieri»! Das Weingut existiert schon über 320 Jahren und wird noch von der Familie selbst geführt. Um genau zu sein von den drei rüstigen Damen: Antonella, Emanuela und Giovanna Alfieri. Womöglich ist es ihnen zuzuschreiben, dass ihr Topwein so weiblich-bestimmt, elegant, charmant und vielschichtig daherkommt.
Der Barbera Alfiera 2007 ist nicht nur «Superiore» sondern schlicht gigantisch geraten. Beim Einschenken schaut man in einen unheimlich dunklen und undurchdringlichen Schlund. Lässt man ihn ein wenig kreisen, ziehen dicke Tropfen ihre Spuren am Glas. Freudentränen wie man als glücklicher Verkoster bald feststellen wird. Trotz seinen nun bald 10 Jahre hat er in der Nase nach wie vor eine geniale, mehrschichtige und «voluminöse» Fruchtfülle. Alles bewegt sich im dunkelblauen oder nah am schwarzen Rand. Amarenakirschen und gebrannte Heidelbeeren sowie Lakritz und Teer dominieren die ersten Naseneindrücke. Wendet man sich kurz ab, lässt ihn ruhen und nimmt wieder eine Nase voll, ist der Alfiera schon wieder anders. Weitere düstere sowie schummrige Noten und Aromen schiessen einem wie Lichtblitze durch den Kopf. Doch nichts ist einfach fett, überproportioniert oder plump. Alles, aber wirklich auch alles macht extrem Vorfreude auf den ersten Schluck.
Am Gaumen endlich angekommen, wirbelt er wie ein durchtrainierter «Spitzenathlet» weiter. Ein mundfüllendes Gefühl stellt sich unmittelbar ein. Es ist jedoch nicht wie bei vielen anderen Barberas die Breite [z. B. durch Alkohol] die vorherrschend ist, sondern eher die Fülle an Aromen und die Geschmeidigkeit die sich balsamisch und fast schon drückend im Mundraum entfaltet. Der Tropfen ist unheimlich knusprig. Jugendlichkeit, knackige Säure sowie Noten nach nassem Asphalt und Kaffee stehen stramm in der vordersten Reihe. Das Tannin ist [meist von Natur aus bei der Traubensorte] bekömmlich. Hier ist es zudem poliert, geschliffen und «à point». Das Holz ist subtil und nicht wie so oft bei anderen Tropfen mit einem frisch verlegten Parkett gleich zu setzen. In Summe: Herrliche Balance gepaart mit Unwiderstehlichkeit!
Es ist ziemlich schwer das Glas aus der Hand zu legen. Die Wehmut packt einen beim letzten Schluck dieses 2007er Meisterwerks. Um das Gesagte noch in den richtigen Blickwinkel zu rücken: Der Schreibende ist ein bekennender Barbera-Liebhaber. Wohl hunderte Preziosen der Traubensorte fanden bereits den letzten Gang über seinen Gaumen. Der Alfiera gehört dabei ganz sicher in die absolute Topliga aller bisher verkosteten Geschwisterweine. Zusammen mit edlen, adeligen oder blaublütigen Preziosen wie dem «Uccellione», «Pomorosso» oder dem galaktischen Barbera von Roberto Voerzio [mehr dazu ein andermal…].
PS: Nach der letzten 2007er Flasche musste Nachschub her. Sechs Brüder und Schwestern des Jahrgangs 2013 wurden nachbestellt und sind bereit.
«SCHAURIG-SCHÖN BIS SONNEN-VERWÖHNT»
Gigondas «Aux Lieux – Dits», Domaine Santa Duc, 2011
Weinbewertung: 18. August 2016
Herkunft: Gigondas, Frankreich
N: Thymian, Lorbeer, Oliven, Lakritze
G: Waldbeeren, Zwetschgen, würzige Süsse
WF: 9.0 (ausgezeichnet)
Preis: CHF 29.50
Bezugsquelle: viniviva
Kommentar: Einer geballten Faust gleich ruht der Gigondas «Aux Lieux – Dits» des Jahrgangs 2011 im Glas. Ein gewaltiger Wein. Ganz im Sinne seiner
Herkunft, präsentiert er sein Dasein: Es ist voller Sonne und Kraft. Er versteckt nicht, er spielt nicht – er IST! Doch trotz all dem, ist er immer noch ein
Gentleman. Eine Art Rugbyspieler: Hart und trotzdem ein Kavalier-Sportler. Kraftvoll doch elegant.
In der Nase ist der Wein erstmal brutal dicht und höchst konzentriert. Irgendwie wie eine tiefhängende
und pralle Wolke voller Kräuteraromen. Er duftet wie ein mediterranes Herbarium. Dicken Tropfen gleich prasseln Noten von Thymian, Lorbeer, Garrigue sowie etwas später schwarzen Oliven, Lakritze, Kaffee und Schokolade auf den Geniesser ein. Ein wunderbarer Schauer geht einem den Rücken hinunter.
Gleich danach kommt die Sonne wieder durch. Doch bei all der Kraft, staunt man am Gaumen dann über die rote «Frucht». Diese verleiht dem Wein eine gewisse Unbeschwertheit. Pfeffrige Walderdbeeren geben ihm Frische und reife Zwetschgen machen ihn straff und kompakt. Ein wenig später wird es mit Waldbrombeeren eine Spur dunkler. Doch nicht ausladend oder breit. Alles ist immer noch fein verwoben. Die vorherrschende Traubensorte Grenache stattet ihn zusätzlich mit wunderbar würziger Süsse und dieser typischen südfranzösischen Vollmundigkeit aus. Die Paarung bestehend aus feinbitteren und herben Noten sowie zupackender, saftiger und klar definierter Säure verleiht ihm schöne Trinkigkeit. Das Tannin ist im Moment enorm dicht, kräftig, ein wenig rauh und eigenwillig. Hier weiss man wieder, dass die Sonne [trotz kurzen Schauern] im Gigondas «Zuhause» ist!
Der Aux Lieux - Dits ist originell, quer und eigenständig! Er ist kein anmutiger Tänzer sondern ein Charakterkopf durch und durch! Dieser Wein ist vor allem dazu
geeignet um die laaaaange Zeit zwischen Weihnachten und Ostern zu verkürzen und die aufsteigende Wehmut nach Sonne und Wärme zu lindern. Doch auch alle Wochenenden des Jahres sowie alle Tage
dazwischen macht er zu Sonnen- und Sommertagen ;-)
Einer der besten – wenn nicht der beste – Gigondas den es gibt.
Gastbeitrag für weinfanatic: Autor IB
«NEVER SAY NEVER - THE WAY IT IS»
Magallanes, 2011
Weinbewertung: 15. August 2016
Herkunft: Ribera del Duero, Spanien
N: Dunkle Kirschfrucht, sanftes Vanille, Zedernholz, Tabak
G: Schokolade, samtiges Tannin, feines Grafit, Minze
WF: 8.0 (gut)
Bezugsquelle: Gerstl
Preis: CHF 44.-
Kommentar: Ferdinand Magellan beziehungsweise Fernando de Magallanes hat bekanntlich nach einigen grossen und kleinen Irrwegen dann schlussendlich doch die richtige Passage durch das ewige Eis und die Kälte zwischen Amerika und Antarktis gefunden. Ein bisschen so ging es uns auch mit dem Wein «Magallanes». Nicht wirklich einfach zu entdecken – aber dann doch eine Bereicherung!
Der Tropfen wurde vor etwas mehr als einem Jahr von einem Weinhändler ausserordentlich hoch gelobt. Beinahe nur die Höchstpunktezahl war gut genug um all die schönen Worte und unzähligen Adjektive [bei denen sich wohl manch ein normaler
Weingeniesser gar nichts darunter vorstellen kann…] auf einen Nenner zu bringen: Magallanes – 19+ Points! Nun gut.
Im Grundsatz kaufen wir nie (N I E!) Weine welche wir nicht vorher in irgendeiner Weise verkosten durften. Denn: Wenn schon daneben liegen, dann doch bitte aus eigenem Versehen. Da wir wiedermal einen guten Spanier entdecken wollten, wurde der Magallanes «blind» bestellt. In der Not frisst der Teufel bekanntlich Fliegen. Soweit so gut...
Nach der obligaten Keller-Ruhepause von etwas mehr als einem Monat nach Anlieferung, wurde die erste Flasche entkorkt. Nun, irgendwie nicht der Himmel auf Erden. Es fand sich darin auch kein klarer «Pfad» durch so manche önologischen Gezeiten und Untiefen wie wir uns erhofft hatten. Eher sowas wie dunkle und unbestimmte Früchte sowie ausserordentliche Verschlossenheit erwarteten uns. Ein Block von einem Wein. Ein in der Sommerwärme erhitzter Granitfels. Kein «Eisblock» bei dem die sichtbare Kappe nur eine winzige Ahnung davon preisgibt, welch grosse Schönheit sich unter der Wasseroberfläche noch wohl befindet. Zwischenfazit nach der ersten Flasche: Fehlkauf! Gebot: Bleib dem Motto treu und bestelle nie (N I E!) mehr blind! Punkt.
Weine in die man viel gesetzt hat und diese dann enttäuschen, schiebt man manchmal etwas unmotiviert vor sich hin. Heute nun die zweite Flasche geköpft. Es geschah etwas, das wir nicht erwartet hatten: Der Magallanes gefiel uns. Er war offen, definiert und zugänglich. In der Nase dominieren Schwarzkirschen, Heidelbeeren und Zedernholz das primäre Aromenbild. Nachgelagert kommen sanftes Vanille und eine Spur Schnitttabak auf. Am Gaumen folgen weiterhin eher düstere Noten nach dunkler Schokolade und präzisem Grafit. Etwas später tauchen kleinen Eisschollen gleich Minzaromen auf. Das Tannin ist samtig weich und hat nichts mehr von einem Kreidekuss wie vor einem Jahr. Der Abgang ist trotz einer feinen Bitternote im Nachhall schön geraten.
Ferdinand Magellan hat ja bekanntlich den Durchgang vom Atlantik in dem Pazifik gefunden. Trotz allem Unwägbarkeiten. Der Wein hat bei uns nun endlich auch die Kurve gekratzt.
«DER BEGINN EINER GESCHICHTE»
Maquina & Tabla, 2013
Weinbewertung: 10. August 2016
Herkunft: Spanien, Toro
N: Himbeeren, Rosen, Kirschen, schwarzer Pfeffer
G: Fein, eher leicht, rote Johannisbeeren, rotes Fleisch
WF: 9.0 (fulminant!)
Bezugsquelle: Fertigs
Preis: CHF 26.-
Kommentar: Spanien… In [allzu] vielen Fällen überschwängliches Holz, penetrantes Vanille, Volumen, Breite und Alkohol. Die Aromendichte erinnert oft eher an einen Monolithen als an eine önologische Symphonie verschiedener Komponenten. So lässt man immer wieder für eine gewisse Zeit die Finger von der iberischen Halbinsel. Zum Glück gibt es Menschen, Momente und Weine, welche die alte Freude an einem Weinland wieder zurückbringen können.
So geschehen mit dem Maquina & Tabla. Ein sehr junges Weingut aus der Region Toro. Die Gegend ist nicht gerade bekannt für tänzelnde und frische Weine. In der Mehrheit fanden bisher eher önologische Brecher aus dieser Gegend den Weg zu uns ins Glas.
Der Tropfen war ein Geheimtipp eines feinfühligen Weinkenners. Er sucht stets nach Leichtigkeit, Mehrdimensionalität und Überraschungen aus bereits gut bekannten Gefilden. Der Maquina & Tabla ist ein spektakuläres Produkt zweier fanatischen Menschen die auf der Suche nach Purismus und Natürlichkeit waren. Sie wurden fündig!
Ein bisschen verrückt ist es schon: Kaum weiss man was vor einem im Glas steht, werden Verkostungserfahrungen sowie Aromen abgerufen, gebündelt und als «Erinnerungsstrauss» im Oberstübchen bereitgestellt. Wie schön wenn man dann überrascht wird! Die Farbe des Maquina & Tabla ist im gedeckten roten Bereich und weist eine leichte Trübung auf. Als Erstes schickt der Tropfen jungfräuliche aber satte Himbeerdüfte Richtung Riechorgan. Es folgen nahtlos weitere rote Früchte und Beeren, unaufdringliche Würze und etwas Rosenduft. Am Gaumen strahlt der erste Kontakt zuerst Frische aus. Rote Johannisbeeren und ein wenig Fleisch- oder Blutaromen sind am Gaumen auch wahrnehmbar. Kein Spur von Holz. Wie schön! Wie ein roter Faden zieht sich die Leichtigkeit und Raffinesse des Tropfens durch. Er ist absolut subtil, sehr präzise und zu keinem Zeitpunkt breit.
Man kann den Wein nicht richtig «kühl» nennen. Doch mit seiner Frische, den weichen Tanninen und dem leicht malzigem Nachgeschmack kommt er diesem Empfinden nahe. Blind verkostet, hätte man den Maquina & Tabla [subjektiv] eher irgendwo in die Region Loire eingeordnet. Ebenfalls assoziiert man mit ihm Weine aus der Traubensorte Callet, die auf Mallorca für so manche Verkostungsüberraschungen sorgen kann.
Vielleicht begannen alle grossen Weingeschichten so: Ein oder mehrere Maniacs stürzen sich in eine Abenteuer. Sie wollen alles was ihnen NICHT Spass macht an «Wein»
in ihrem Projekt ausmerzen und das absolute Gegenteil produzieren. Bei Erfolg des Vorhabens realisieren Weinliebhaber im Optimalfall irgendwann dann, dass sie bisher einem Mainstream aus der
jeweiligen Region aufgesessen sind… Und der Run beginnt… Gut möglich, dass wir hier gerade Zeuge eines solchen Ereignisses sind.
«GUT, EDEL UND TEILWEISE HOCH VIER»
Jaspis Grauer Burgunder, Alte Reben, 2013
Jaspis Spätburgunder, Alte Reben, 2011
Weinbewertung: August 2016
Herkunft: Deutschland, Baden-Württemberg
Kommentar: «Ziereisen» ist ein Name der in den vergangenen Jahren immer wieder unseren Weg kreuzte. Es kam jedoch nie zur Verkostung. Endlich war es nun soweit: Der Bitte wurde telefonisch ohne Umschweife, kurzfristig und sehr nett entsprochen. Ein «spontaner» Besuch wurde vereinbart. Im lauschigen Innenhof des Familien-weinguts lässt sich herrlich mit dem Winzerpaar Edeltraut und Hanspeter Ziereisen über Wein reden, gemeinsam degustieren und ein wenig philosophieren.
Das Weingut besteht «erst» seit 1991. Auf rund zwei Hand voll Hektaren produzieren die Ziereisens etwas mehr als 120‘000 Flaschen Weiss- und Rotwein. Sein Herz hat Hanspeter an Frankreich bzw. ans Burgund verloren. Sein Fokus ist entsprechend auf der Pinot Noir Traubensorte. Doch vielleicht in weiser Voraussicht oder durch Edeltrauts weibliche Intuition liess er sich in den Anfängen davon überzeugen alte Chasselas- bzw. Gutedel- sowie Syrah-Rebstöcke nicht auszureissen. Welch Glück für die heutigen Weingeniesser. Sonst würden wir wohl nie erfahren wie Gutedel in der vierten Potenz riechen und schmecken kann. Doch dazu und zu den wundervollen Syrahs – wer hätte gedacht, dass der Schreibende diese Worte mal so zu Papier bringen würde – gibt es dann in einer eigener Ziereisen-Reportage nach Verkostung sämtlicher Weine mal mehr. Im heutigen Fokus stehen die beiden Jaspis Grau- und Spätburgunder von alten Reben.
Bei den Weissweinen ist die Traubensorte Gutedel oder Chasselas so etwas wie das Steckenpferd der Ziereisens. Sehr interessant ist die Interpretation der Traubensorte, die man [subjektiv gesehen] nie und
nimmer als diese wahrnehmen würde. In der obersten Liga der Weissweine [Jaspis] sind der Grauburgunder und der Gutedel [10 Hoch 4] im positiven Sinne «wahnwitzig» ausgefallen. Warum? Weil man das was man riecht und schmeckt nie im Leben so im Glas erwarten würde! Der Grauburgunder erinnert in seiner ganzen Wesensart ein wenig an einen «kastrierten» Sauternes. In der Nase Süsse, viel Petrol, vollreife Pfirsiche und Aprikosen sowie Kandiszucker. Am Gaumen Bienenwachs und herrlich cremiges Karamell. Doch alles ist «staubtrocken»! Nichts klebt, ist wirklich süss oder unangenehm. Die Farbe geht in Richtung Orange oder beginnendem Sonnenuntergang. Zum Träumen. [WF: 9.5 aussergewöhnlich!]
Der önophile Marsch durch die Ziereisen-Rotweine macht unheimlich Spass. Es beginnt alles ausserordentlich blumig, direkt und immer präzis. Begleitet von Aromen nach Walderdbeeren und Weichselkirschen. Im Premiumbereich dominiert dann Ruhe,
Eleganz sowie rote Beeren/Früchte. Vielfach auch subtile Mineralität und herrliche Balance. Trotzdem ist der Schritt
aus den «Villages» und «1er Cru» Lagen ins Jaspis-Segment nochmals beachtlich. Die beiden Jaspis-Spätburgunder [quasi die «Grand Crus»] stammen aus
den gleichen Lagen wie die Premium-Blauburgunder. Allerdings handelt es sich dabei um besonders alte Rebstöcke welche
im Schnitt über 40 Lenze gesehen haben und vereinzelt im Rebberg über die gesamte Fläche verteilt sind. Besonders der Jaspis Spätburgunder Alte
Reben zeichnet sich durch seine Filigraniät und Leichtigkeit aus. Dabei besitzt er trotzdem auch noch ungemein viel
Tiefe, Vielschichtigkeit und Präzision. Alles ist fein ausbalanciert, verwoben und wie mit der Grammwage abgewogen. In der Nase viel zurückhaltende Noblesse, Erdbeeren und ein Hauch oder eine blosse Ahnung von Vanille. Am Gaumen Amarenakirschen,
Hagenbutten und Mineralität in Form von nassem Geröll. Nichts ist zu viel. Nichts vermisst man. Die Länge des Abgang
ist schlicht phänomenal. Holz? Keine Spur!
[WF: 10.0 perfekt]
Als [einstweiliges] Fazit lässt sich sagen, dass Ziereisen durch seine klare und unbeirrbare Strategie im wahrsten Sinne des Wortes zu überraschen weiss. Finesse, Leichtigkeit und trotzdem burgundische Tiefe zeichnen seine Rotweine aus. Der «Heimatschutz» der Gutedel/Chasselas-Traube ist zudem beispiellos und verdient ein grosses Lob. Wir versprechen bald wieder zu kommen...
PS: Bei einem Besuch des Weinguts kann es durchaus sein, dass man dort Weingrössen antrifft und ein nettes Gespräch führen kann. Danke Sigi Hiss für die interessante Diskussion. Über…Portugal :-)
«ANNE…MON AMOUR»
Anne Gros, Savigny-les-Beaune, 1er Cru, 2009
Weinbewertung: 2. August 2016
Herkunft: Frankreich, Burgund
N: Subtil, blumig, rote Früchte, Erdbeeren, Veilchen
G: Kräftige Säure, schöne Frische, reifen Birnen
B: 9.0 (ausgezeichnet)
Bezugsquelle: z. B. N+M Weine
Preis: CHF/EUR > 50.-
Kommentar: Ist es professionell zuzugeben, dass man sich in ein Weingut verliebt hat?! Wohl nicht. Aber was kümmert das schon!? Es war irgendwie Liebe auf den ersten Schluck. Seither sind Jahre ins Land gezogen und sie hat sich kein bisschen verändert. Von Rost oder Abnützung keine Spur…im Gegenteil: Alles glänzt immer noch wie Edelstahl! Bei jeder Verkostung der Kunstwerke von Anne Gros durchfluten einen die gleichen Gefühle wie damals.
Das Weingut Eingangs Vosne-Romanée liegt gegenüber dem Gemeindehaus. Man könnte es glatt übersehen. Ein unauffälliges schönes Häuschen mit Vorplatz und einer grossen Holztür die ein anderes Gebäude ziert. Vor rund 10 Jahren haben wir mehr aus Not als geplant dort mal ein paar Übernachtungen gebucht. Die energisch-strenge Hausherrin «Anne» [die uns bis dahin nicht bekannt war…] zeigte die Zimmer und erklärte die Hausordnung. Zu dieser gehörte auch, dass man sich in der Küche Essen selber zubereiten und gegebenenfalls bei Lust und Laune auch eine Flasche Rotwein aus dem Klimaschrank nehmen könne. Alles hauseigene Tropfen natürlich. Gesagt, getan….ein kleines Paradies wie wir etwas später dann feststellten sollten!
Die Weine von Anne Gros sind eher zur modernen Machart zu zählen. Sie sind dunkler und irgendwie mächtiger als viele andere «klassische» Preziosen aus der Gemeinde und der Region «Côte de Nuits». Der Savigny-les-Beaune 1er Cru «Les Lavières» ist sehr subtil geraten. Geradezu seidig und flüchtig wirkt er zuerst. Trotz seines überaus gelungenen Frische-Säure-Frucht-Spiels ist er ein wunderbar geschmeidiger, leicht cremiger und wahrer Burgunder. In der Nase ist zuerst diese feine Süsse mit vielen floralen Anklängen wie auch Erdbeernoten da. Am Gaumen hat der Wein immer noch eine schöne Säure die ihm Präzision, Struktur und Spannung geben. Den langen frischen Abgang begleitet eine ungemein noble Süsse und Aromen von reifen Birnen [?]. Sehr schön.
Leider kann man die Weine von Anne Gros nur erschwert kaufen. Denn gerne würde man sich bei jeder Gelegenheit und finanzieller Potenz richtiggehend damit eindecken. Aber eben… Doch ein Trost bleibt: Man kann versuchen genug früh ein oder mehrere Zimmer zu buchen und die Küche [bzw. den Klimaschrank!] richtiggehend zu plündern!
PS: Der Anne Gros «Richebourg Grand Cru» ist ein Traumwein von Weltformat [dazu ein andermal mehr in einer anderen Liebeserklärung...].
«DAS UNENTDECKTE LAND»
Quite, Veronica Ortega, 2013
Verkostungsnotiz: 27. Juli 2016
Herkunft: Spanien, Bierzo
N: Frische, dichte/kompakte und helle Frucht, Kräuter
G: Kirschen, Efeu, Eisen, Schokolade
WF: 8.5 (sehr gut)
Bezugsquelle: Viniviva
Preis: CHF 21.-
Kommentar: Obwohl man schon seit Jahren sehr gute Weine aus dem Nordwesten Spaniens trinken kann, will sich ihr Bekanntheitsgrad nicht so richtig steigern! Vielen Geniessern kommen immer zuerst die verführerischen Riberas, mächtigen Priorats oder fetten Toros in den Sinn. Galicien, Ribera Sacra oder Bierzo sind gedanklich eher weiter weg. Zudem assoziieren viele die Region damit, dass sie noch am Beginn der Entwicklung ihres Potenzials steht. Doch…weit gefehlt.
Die Winzer im Nordwesten der iberischen Halbinsel sind mittlerweile schon sehr weit gekommen. Leider [oder zum Glück!?] ist dies zumeist unbemerkt geblieben. Einige
der klügsten Köpfe Spaniens haben sich in diesem eher kühleren Landstrich eingefunden und gehen dort in Ruhe und Gelassenheit ihrer Passion nach. Sie haben dort ihre «Spielwiese» abgesteckt und
bauen sie behutsam und weit ab vom Mainstream weiter auf. Hier zeigt sich, dass Spanier durchaus
elegante, nuancenreiche und pointierte Weine produzieren können.
Die Fortschritte haben sie mit dem perfekten Partner erreicht: Der Rebsorte «Mencia». Sie ist – etwas untypisch für spanische Verhältnisse – wohl eine der subtilsten roten Traubensorten die es überhaupt gibt. Weine aus Mencia sind – subjektiv und über die Breite des Angebots hinweg gesehen – die elegantesten und süffigsten Tropfen Spaniens. Genau das ist wohl der Grund wieso fast jeder Winzer der etwas auf sich hält, in diesen kühlen Gefilden seine önologischen Träume verwirklichen möchte. Doch an dieser Stelle wollen wir auf den Wein «Quite» der aufstrebenden jungen Winzerin Veronica Ortega eingehen.
Quite ist ein Tropfen dem man vieles [Gutes!] nachsagen könnte! Nur nicht, dass er ein hitzegeplagter Spanier ist. In der Nase ist er superb frisch und die Frucht erscheint trotzdem sehr dicht, enorm kompakt und konzentriert. Dadurch ist er ein wenig lauter und ungestümer als man es sich sonst von Mencia-Preziosen gewohnt ist. Als ob er um die fehlende Aufmerksamkeit für das ganze nordwestliche Spanien kämpfen würde. Doch er zeigt auch eindeutig wie vielfältig Weine aus dieser Region sein können. Am Gaumen versprüht er intensive Kräuternoten. Dazu gesellt sich eine feste Kirschenfrucht, Efeu, Traubenstiele, Eisen und dunkle Schokolade. Im Hintergrund zunehmende und leicht prickelnde Süsse. Der Körper ist fest und hat eher maskuline Züge. Das Tannin ist derzeit zupackend und enorm engmaschig. Es wird noch ein wenig Zeit brauchen um geschmeidiger zu werden. Obwohl er kräftig und dicht ist, besticht der Wein durch seine helle Frucht, Würzigkeit und die knackige Frische. Der Trinkfluss ist sofort da und bleibt, dank der zupackenden, festen aber durchaus saftigen Säure, sehr lange bestehen. Der Quite endet sehr nachhaltig und druckvoll. In 3 bis 5 Jahren könnte er durchaus weiter an Eleganz gewinnen und seine Herkunft weiter unterstreichen.
Man sagt das «Unentdeckte» sei geheimnisvoll und voller Spannung. In Bezug auf die Mencia, Bierzo, Veronica Ortega und den Nordwesten Spaniens stimmt das auf jeden Fall. Die Entdeckungsreise lohnt sich.
Gastbeitrag für weinfanatic: Autor IB
«RAGGAMUFFIN SCHAF»
Moltó Negre, Cava Brut, Casa Rojo
Verkostungsnotiz: 24. Juli 2016
Herkunft: Spanien, Katalonien
N: Aprikosen, Brioche, Anflug von Rosenduft
G: Steinig, Staub, Apfelschnitze und Hauch von Pfirsich
WF: 8.0 (gut)
Bezugsquelle: TERRAVIGNA
Preis: CHF 22.50
Kommentar: Schwarze Schafe sind gute Schafe! Irgendwie immer moltó simpático oder so... Jedenfalls ist diese Cava der avantgardistischen Truppe «Casa Rojo» ein gediegener Schäumer bei dem man alle Augenpaare einer coolen Gartenparty auf seiner Seite hat! Das «Räucherschaf» auf der Etikette, die pinkige Zapfenkappe und die frischen Aromen in der Flasche machen unverschämt Spass....
In der Nase sind es Aprikosen, ein wenig Brioche, Brotrinde, feine Limetten sowie ein Hauch von Rosenduft die für ein Prickeln und Spannung an den Nasenscheidenwänden sorgen.
Am Gaumen weist er eine tolle Perlage auf. Keinerlei Agressivität. Steine, Staub, Apfelschnitze und ein Anflug von Pfirsich machen die Frische und Attraktivität des Sprudlers aus!
Mag sein, dass sich der eine oder andere Geniesser erhofft hat, den Duft von getrocknetem Gras in der Nase oder am Gaumen zu «erhaschen». Keine Spur. Hat wohl das Schaf alles geraucht ;-)))
«NUMMER ZWEI – EIN PREMIER»
N°2, Schlossgut Bachtobel, 2010
Weinverkostung: 21. Juli 2016
Herkunft: Schweiz, Thurgau
N: Erdbeeren, getrocknete Rosen, Kaffeebohnen
G: schmaler feiner Körper, Röstaromen, straffes Säuregerüst
WF: 9.0 (ausgezechnet!)
Bezugsquelle: Direkt ab Weingut
Preis: CHF 28.-
Kommentar: Bachtobel ist ein Traum. Das Biedermeier-Schlösschen schimmert weiss im grünen Rebhang und ist bereits aus der Ferne gut sichtbar. Oben auf dem Weingut angekommen, ist die Aussicht einfach fantastisch. Man fühlt sich dem Himmel nahe. Das gleiche Gefühl beschleicht einen aber auch ein bisschen nach der Verkostung der Weinpalette dieses renommierten Weinguts. Passt also schon mal gut.
Es gibt Weinkenner, welche die Region um Weinfelden herum (im Kanton Thurgau) als die «burgundischste» aller Schweizer Anbaugebiete bezeichnen. Ganz Unrecht haben sie nicht. Der Pinot Noir der dort wächst, ist in seiner Gesamtheit eher filigraner, leichter, reicher an feinen Nuancen und eine Spur knackiger als jene aus dem nahen Bündnerland oder der [fernen] Romandie. In Sicht- und Rufweite von Bachtobel hat sich mit Burkhart, Broger und Wolfer ein Winzerquartett gebildet, das es – in ihrem eigenen individuellen Stil – versteht, dem Pinot Noir diese
kühlen, roten und wundervoll balsamisch-leichten Noten abzugewinnen.
Bachtobel ist wohl das bekannteste aus dieser Viererbande. Bereits in achter Generation wird es von der Familie geführt. Den Stil und das Renommee geprägt, hat vor allem Hans Ulrich Kesselring, der leider 2008 viel zu früh zu Bacchus geholt wurde. Sein Neffe Johannes Meier führt seither unbeirrt und dem Stil verpflichtet das Weingut. Der Baustil ihres Schlösschens steht im kompletten Einklang zum minimalistische Aussehen ihrer Weine. Diese sind entweder mit Initialen der Rebsorte [z. B. «MT» ist Müller Thurgau – Tipp!] oder mit Nummern versehen [z. B. 1 – 4, Pinot Noir]. Sind sie so schlicht, dass sie sich jedem [sogar vor der Verkostung!] ins Gedächtnis brennen. Doch nicht nur das Äussere, sondern auch das Innere passt sich [mehrheitlich] sehr gut ins architektonische und puristische Rundherum ein. Die Weissweine und beinahe alle Pinot Noir [N°3 kann manchmal schwerer ausfallen, N°4 bisher zu wenige Vergleiche] sind analytische, präzise und teilweise messerscharfe Tropfen [die Horizontale folgt dann mal…].
Der heutige N°2 des Jahrgangs 2010 ist von eher blasser doch brillanter kirschroter Farbe. Ein Hauch von Ziegelrot mischt ebenfalls mit. Es war langsam Zeit diesen schönen Vogel abzuschiessen. Schon länger sendete er bei Weinkellerbesuchen klare Signale aus. Das Nasenbild ist wie erwartet eher zurückhaltend, rötlich und versehen mit schönen Erdbeer- und Kirschnoten. Doch auch ein wenig Rahm, Röstung bzw. Kaffeebohnen umschmeicheln den Riecher. Es handelt sich dabei jedoch nicht um verkappte Holznoten. Lag der Filigranist doch «nur» 12 Monate in 800 Liter Fässern. Am Gaumen ist er schmal. Doch ungemein tief und präzis. Kein Schnick-Schnack und keine überbordende Aromatik stört. Das Säuregerüst ist straff, macht ihn knackig-frisch und ist im perfekten Equilibrium mit dem Tannin. Der Tropfen ist für sich und in sich so stimmig, sodass man ihn an heissen Tagen etwas kühler und am besten ohne Essensbegleitung geniessen sollte. In dieser Konstellation «spricht» er wohl am ehesten mit dem Geniesser und offenbart ihm gleichzeitig seine feinen Nuancen.
In der Palette der Pinot Noir von Schlossgut Bachtobel ist N°2 möglicherweise der perfekteste Wein. N°1 ist sehr puristisch und einem Village gleich. N°3 und N°4 sind eher Grand Crus und neigen mehr in Richtung Lagerung. Währenddessen ist N°2 der vollendete Begleiter für viele Momente und meistens erste Wahl. Und damit ein wahrer Premier Cru.
«MAXIMIANO – FÜR TAGE WIE DIESE»
Don Maximiano, Vina Errazuriz, 2012
Weinbewertung: 15. Juli 2016
Herkunft: Chile, Valle de Aconcagua
N: Raffiniertes Cassis, rote reife Kirschen, Himbeeren, leichter Vanilleeinschlag
G: Eleganz, rund, langer balsamischer Abgang und Hagenbutten
WF: 9.0 (ausgezeichnet)
Preis: CHF 72.-
Bezugsquelle: Mövenpick Weine
Kommentar: Tote Hose in Chile? Keine Spur! Das Land hat bekanntlich ein paar önologische Eigenarten. Eine davon ist sicherlich, dass [subjektiv gesehen] gefühlte 95% der Rotweine – unabhängig von der Traubensorte! – wahre «Cassis-Bomber» sind. Dies mag man oder auch nicht. Als einziges [weiteres] Land, dass ein solch eigenständiges und aus 10 Meter Entfernung wahrnehmbares Aromenspektrum aufweist, fällt einem spontan nur noch Südafrika ein.
Dort ist jedoch alles auf der erdig-animalischen Seite zu finden. Doch dazu ein anderes Mal mehr...
Der Don Maximiano spielt in der ersten Liga Chiles – wenn nicht sogar ganz Südamerikas - mit. Und dies ganz locker und absolut zurecht! Er hat auch den erwähnten unnachahmlichen Cassis-Einschlag. Doch dieser ist von raffinierter Art und nimmt zu keinem Zeitpunkt irgendwie auch nur ansatzweise das Zepter in die Hand. Der Tropfen ist – wie es der Name schon ein wenig durchschimmern lässt – von edlem, ruhigem und zu Beginn etwas unnahbarem Gemüt. Dies legt er mit der Zeit ab und offenbart dem willigen Geniesser das wahre Optimum das gute Weine auch Chile zu bieten haben. Verglichen mit dem grossen Senã [der «Maximo Lider» quasi] fehlt ihm einzig ein wenig die Finesse. Aber auch so ist er ungemein lecker.
In der Nase ist das Cassis als Erstes natürlich wahrnehmbar. Lässt man ihn ein wenig stehen, entwickelt er ungemein stoffige und schöne Aromen nach Kirschen, Himbeeren und verschiedenen Gewürzen. Der im Wein vorherrschende Cabernet Sauvignon versprüht [wohl nur mit dem Wissen, dass es sich um Cab handelt] einen feinen Hauch von Peperoninoten. Doch dieser ist eher hintergründig und in der zweiten oder dritten Reihe vorzufinden. Am Gaumen geht die Raffinesse, komplexe Struktur und Würzigkeit weiter in die Tiefe. Die Breite, welche überaus vielen Chilenen eigen ist, findet sich im Don nicht. Die Säure gibt ihm schöne Frische. Das Tannin ist herrlich schmelzig und gut eingebunden. Der Abgang schmeichelt balsamisch und hat Anklänge von dunkler Schokolade sowie Kaffee.
Trotz seiner Jugend ist der Tropfen auf jeden Fall bereits jetzt sündig schön. Der Don Maximiano ist ein Chilene der seine Herkunft nicht verschleiert. Seine aristokratische Art geht durch alle Eindrücke und Genusslevels hindurch und macht ihn zu einem Wein für besondere Stunden oder einzigartige Tage. Für einen Tag wie diesen...Vielleicht also doch ein klein wenig «Tote Hosen» ;-)
«FIXIN: DEIN STYLE IST SO GEIL»
Fixin, Champs Pennebaut, Domaine Denis Mortet, 2008
Verkostungsnotiz: 12. Juli 2016
N: Würzigkeit, rote Kirschen, Heidelbeeren, Himbeeren
G: Seidigkeit, präzis, mineralisch, sehr gute Balance
WF: 9.0 (ausgezeichnet)
Preis: CHF ~50.-
Bezugsquelle: Baur au Lac Vin
Kommentar: Unglaublich schöne und reflexive Farbe. Für einen Pinot überaus dunkel mit einem Glanz der sich durchaus mit den schönsten Rubinen messen kann.
Die Nase ist betörend, ungemein dicht, feinwürzig und fast ein wenig prickelnd. Irgendwie weist der Tropfen
eine klar erkennbare «Mortet-Stilistik» auf. Diese ist – kurz zusammengefasst – mit mehr Aromatik, Dichte und Farbe als viele andere Pinots aus dem Anbaugebiet gesegnet. Süsse, zuerst rote, dann zunehmend blaue und schwarze Frucht kommt auf. Da wo die Himbeeren und Sauerkirschen die Sache etwas erhellen, kontern Heidel- und Brombeeren sofort dagegen und verdunkeln die Szenerie. Ein perfektes Zusammenspiel aller Beteiligten.
Am Gaumen dann saubere, kühl gehaltene Frucht und feinste Mineralität. Absolut keine Überreife oder andere störenden Töne sind wahrnehmbar. Weiter fällt die wunderbare Eleganz auf. Der Fixin wirkt dadurch ungemein seidig, präzis geschliffen und feinnervig. Diese Gradlinigkeit unterstreicht seine kompromisslose Mission geradezu. Der Tropfen ist perfekt ausbalanciert und erzeugt ganz schön viel Grip. Dazu ist der Körper sehnig, fest und mit dichtem, äusserst gut integriertem Tannin athletisch durchtrainiert geraten. Die lebendige Säure ist genial trinkanimierend und lässt den Wein richtiggehend vibrieren. Wow, welch ein cooler Style!
Im Allgemeinen würde man den Wein als finessenreichen und trotz seiner dunklen Farbe als klassischen Burgunder beschreiben. Obwohl das Jahr eher durchschnittlich war, beweist der Fixin welche Klasse in ihm steckt. Als direkter Nachbar zum prestigeträchtigeren und teureren Gevrey-Chambertin ist er mit dieser Leistung, eine sehr gute und dazu preiswertere Alternative.
Gastbeitrag für weinfanatic: Autor IB
«HITZIGES GEFECHT ODER IN DER HITZE DES GEFECHTS»
Verkostungsnotizen: Juni/Juli 2016
Ferienweine sind immer so eine Sache: Mit der Meeresbrise genossen, sind sie herrlich, komplex und unverwechselbar. Zu Hause dann oft plump, öde und beliebig... Hier ein paar die man sich vor Ort [kroatische Küstenregion] genehmigen könnte.
Zlatan Otok Weiss, 2013: Schöne Frische, spritzige Säure [wo hat der die bloss her!?]. Kann man für €6 nicht viel klagen. Aber auch nichts mehr dazu sagen. [WF 7.0]...
Stina Plavac Mali Majstor Barrique, 2012: Tiefe blaue Frucht und etwas Erdaromen in der Nase. Am Gaumen schönes Tannin und Anklänge von Tee, Feigen und Trockenpflaumen sowie mediterranen Gewürzen. Toller Hecht! [WF 9.0]
Zlatan Otok, Zlatan Plavac, 2011: Frische dunkle Früchte, Feigen und Zwetschgen in der Nase. Gaumen mit balsamischen und langanhaltenden Noten. Waldfrüchte, eine Spur Eukalyptus und etwas gekochte Pflaume sowie ein paar Rosinen. Schöner Wein der jeden Tag zum guten Tag werden lässt. [WF 8.5]
Dingač, 2009: Schönes Bukett mit Lavendel und vielen anderen Gewürzen. Aber auch Kirschen, Schokolade und Schwarztee mischen kräftig mit. Am Gaumen sehr weich mit schöner Säure und spürbarem Tannin. Abgang mit viel teeigen Noten und Kamille, Lavendel sowie Rosmarin. Ein geiler Dingač von der «Mutter» aller Dingač. [WF 8.5]
Korlat, Vinaria Benkovac, Boutique, 2011: Fälschlicherweise beim Kauf für «trocken» gehalten. Irgendwie also ein «Blindkauf». Ein auf Amarone [mit einem Schuss Sweetness] gemachter süsser Wein. Gar nicht so übel. Nicht zu üppig und geht auch ohne Schokoladenkuchen ganz gut runter. Eisgekühlt serviert sogar richtig schön. [WF 8.0]
Bis auf den weissen Zlatan Otok [ganz rechts] sind alle Brecher eher für kühlere Abendstunden geeignet. Denn ausnahmslos allen Rotweinen merkt man die «warmen» Herkunftsgefilde an... Muss man mögen. We do.
«PEACE...REST IN PEACE»
Masi, Amarone, 1996
Verkostungsnotiz: 30. Juni 2016
N: Aceto Balsamico Dolce, Pflaumenkonfitüre, feiner Harzton
G: Portig, Alkoholeinschlag, müde, Karamell, Leder
WF: 6 (war mal Wein...nun transzendiert...oder so)
Bezugsquelle: Findet sich überall
Preis: CHF/€ ~ 30.-
Kommentar: Ausnahmen bestätigen ja bekanntlich die Regel. Weine aus der Region Valpolicella können teilweise altern ohne dabei komplett zu verwelken.
Doch die Regel, dass sie im Grunde eher jung genossen werden sollten, stimmt hingegen [subjektiv gesehen] vollkommen!
Der Masi Amarone 1996 hat das Zeitliche gesegnet. Möge er in Ruhe Frieden finden. Davor ging sein letzter Gang aber noch «durch» unsere Nasen und an unseren Gaumen vorbei. Dabei stolzierte er nicht mehr wie gewohnt, sondern schleppte sich mehr in den dunklen Schlund...dem Geniesserhimmel entgegen quasi.
In der Nase wirkte der Masi bereits schon sehr müde. Noten von Alceto Balsamico [dolce] wie auch andere Reifearomen aus dem Bereich eingemachter Früchte wie Pflaumen oder Zwetschgen sowie Rosinen dominierten. Hinzu gesellte sich noch ein alter Harzton. Das Bukett erinnerte etwas an einen Zirkusbesuch der auf einer von Regen vollgesogenen Wiese stattfindet.
Am Gaumen kommt das «Ausgezerrtsein» noch deutlicher zum Vorschein. Der Portton ist äusserst ausgeprägt. Der Alkohol schlägt aus wie dies manchmal bei billigen Rubys oder Tawnys der Fall ist. Unendliche Müdigkeit macht sich breit und wird durch die Lederaromen eines alten vollgeschwitzten Ledersttels noch zusätzlich unterstützt. Der Abgang wird von trockenen Feigen und Zigarrenkiste beherrscht.
Der Masi war und ist in seiner Jugend ein guter wenn auch ein auf «mainstream» gemachter Amarone. Dem Wein selbst und dem Hause Masi hat das Gebiet Valpolicella durchaus einen Teil seines Renomées zu verdanken. Zurecht wie wir finden.
Aber man sollte ihn - wie viele andere der Gattung auch - unbedingt versuchen nicht zu alt werden zu lassen...
«DER GROSSE...MIT DEM KLEINEN [Jahrgang]»
Château Grand-Puy Ducasse, 2007
F: Granatrot, aufhellender bräunlicher Rand
N: Cassis, dunkle Kirschen, grüne Peperoni, Gewürze G: Dunkle Früchte, nochmals Cassis, schlanker Körper, verhaltener Abgang Weinverkostung: 28. Juni 2016
WF: 7.5 (geht eigentlich besser)
Preis: CHF >50.-
Bezugsquelle: Am besten grad in Bordeaux direkt...dort lassen sie all die schlechten Jahrgänge von Touristen wegtrinken
Gastbeitrag Autorin *The D*
Kommentar: Uuuuh, Date mit GRAND-PUY!
Well, ein wenig weibliche Ehrfurcht ist schon da... In der Nase ist er schon ganz vielsprechend. Die starke Peperoninote die er vor 2 Jahren bei der Erstbegegnung aufwies, ist diesmal nicht mehr ganz so penetrant.
Nun wirkt alles sehr schüchtern und irgendwie «klein». Hmmm??
Man ist natürlich schon irgendwie mit Vorurteilen behaftet. Gerade beim Jahrgang 2007. Wird mal was aus dem Softie?! Nun, um dieses Geheimnis zu lüften, lässt man Grand-Puy also ein wenig warten. Bevor man ihn quasi an sich ranlässt. Er soll die Möglichkeit bekommen aus der Reserve zu kriechen. Traut er sich? Nach einer Stunde dann, war es Zeit! Wir sind ja nicht etwa bei «Wahre Liebe wartet», oder?!
Sein Ego war nach diesem kleinen Nasenstüber offenbar erwacht. Er hatte sich entwickelt. Ein wenig. Nun zeigte er jedoch bereits seine kernigen tertiären Aromen. Hat sich dadurch irgendwie schon fast «entblättert» und sein Innerstes schon nach aussen gestülpt. Aber für dieses Beziehungsstadium war es doch eigentlich viel zu früh. Warum hat er sich zudem noch mit Veilchen parfümiert? Was ist denn los mit Grand-Puy? Etwas verunsichert? Darum etwa schon nach kurzer Zeit sein ganzes Gewicht in die Waagschale geworfen? Ist das bei XY-Chromosom-Trägern in Stresssituationen normal? Wohl eher ein Petit-Puy, hä!? Mann: Fragen über Fragen...einer Frau. Einer Weinliebhaberin!
Nach zwei Stunden war er dahingeschieden.Entschlafen quasi. Der Langweiler. Er wird kein grosses Monument auf dem Flaschenfriedhof bekommen. Nach dem Grand-Puy (eigentlich Petit-Puy) ist es fast wie nach einem Big Mac: Man hat ziemlich bald wieder Hunger nach etwas richtig Gutem. Nach einem feuriger iberischen Sorgenbrecher vielleicht? Na...lassen wir es mal gut sein...Schokolade tut es auch... Der gesellige Mittrinker fand ihn richtig gut. Aber so sind sie halt...die Y-Chromosome halten zusammen ;-)
Ein sehr präsenter Chasse-Spleen aus dem eher «klassischen» Jahr 2002. Die Farbe ist noch ungewöhnlich dunkel. In der Nase würziger Beginn mit reifen Noten nach Maggi, feinen Ledernuancen, Kaffee- und Pflaumen- sowie Feigenaromen. Am Gaumen noch spürbare Säure die ihn pumpt und gar nicht müde erscheinen lässt. Das Tannin wirkt ein klein wenig «shaky». Doch das gibt dem Tropfen gleichzeitig auch zusätzliches Volumen, sodass ...der einen Ticken zu kurze Abgang [im Vergleich zu wahrlich grossen Jahrgängen] nicht allzu stark ins Gewicht fällt. All in all: Ein toller Wert aus einem wenig bejubelten Jahrgang. Er ist zudem ein Beweis, dass viele Profi-Gaumen auch irren können ;-) Den mag ich!
Herkunft: Frankreich, Bordeaux
N: Maggiwürze, leichte Lederanklänge, Pflaumenkompott
G: Schöne Säure, noch präsentes Tannin, Zigarrenkiste
WF: 8.5 (gut bis sehr gut)
Preis: CHF/€ ~30.- [stark jahrgangsabhängig]
«NAPA ROCKS»
Ein exzellenter Anlass mit vielen tollen Weinen aus Napa. Ja, nur aus Napa. Zugegeben, der eher auf Leichtigkeit und Filigranität getrimmte Gaumen war ein wenig eingeschüchtert. Doch das war unbegründet. Vieles war in Balance und im Gleichgewicht. Die Tannine waren da, jedoch stets gut eingebunden, rund und zumeist bekömmlich. Das Toasting war nie übermässig. Die Frucht war bei so jungen Präziosen natürlich präsent. Dunkelrot, meist geschmeidig, cremig und mit Süsse beladen.
Dies sind die subjektiven Top 6 aus rund 30 Weinen. Alle mit der Note 9.5 (ausgezeichnet und manchmal etwas mehr...)
# Aloft, CS, 2011 (speziellster Wein overall*)
# Memento Mori, CS, 2013 (fast perfekt)
# Kelly Fleming, CS, 2013 (Eleganz pur)
# Arkenstone, CS/CF/PV, 2012 (geil, geil, geil)
# Checkerboard, 2012 (check it out!)
# Sinegal Estate, CS, 2013 (edel)
*Aloft erschreckt einen in der Nase. Extrem rote Frucht mit Him- und Boysenbeere. Eher leicht und präzis. Völlig untypisch. Trotzdem langanhaltend und sehr eigenständig. Ist das ein cool climate Napa?!? Ein "4 kilos" aus Kalifornien - ein Hippiewein!!! Echt genial.
Event by NapaWine AG
«WIE PHOENIX AUS DER ASCHE»
Fläscher Chardonnay, Gräbe, Davaz, 2012
Weinbewertung: 11. Juni 2016
Herkunft: Schweiz, Graubünden
N: Ananas, Bienenwachs, Apfelschnitze, Blätterteig
G: Weich, Butter, Honig, reife Birnen, schöne Säure
WF: 9.0 (sehr gut)
Bezugsquelle: Direkt ab Weingut
Preis: CHF 29.-
Ein sehr schöner Chardonnay eines der besten Winzer der Bündner Herrschaft. Seine Interpretationen der Region kann man durchaus als modern bezeichnen. Nichtsdestotrotz verleugnen sie nie (!) ihre Herkunft. Es ist nicht ganz selbstverständlich, dass dieser Wein überhaupt existiert. Ist doch in 2012 ein Grossteil der Produktionsanlagen von Andrea Davaz einem mächtigen Feuer zum Opfer gefallen. Wie Phoenix aus d...er Asche ist er und sein Weingut wieder auferstanden. Grösser, schöner und vielleicht noch bedeutender als zuvor.
Der "Gräbe" 2012 scheint im Moment auf dem Höhepunkt seines Daseins zu sein. In der Nase zeigt er schöne reife Ananasaromen und einen Anflug von Bienenwachs. Frische in Form von Apfelschnitzen und ein wenig Holunder unterstreichen seine Attraktivität. Aber auch typische Chardonnay-Noten von Blätterteig und Buttergipfel sind da. Am Gaumen ist er schön weich und dicht. Doch nicht fett oder überholzt. Im Gegenteil: Holz ist nur - wenn überhaupt - unterstützend wahrnehmbar. Er hat eine schmeichelnde Viskosität die wohl von den reifen Birnen- und Holundernoten herrührt. Die Säure gibt ihm den richtigen und wichtigen Kick damit er nicht zu üppig wirkt.
Das war ein gerlungener Auftakt in die Europameisterschaft! :-)
«WEDER DOMINIKANER NOCH KLERIKER»
Domenico Clerico, Barbera d’Alba, Trevigne, 2013
Weinbewertung: 1. Juni 2016
Herkunft: Italien, Piemont
N: Geschmeidige rote Frucht, Heidelbeere, süsslich, cremig
G: Spürbare Säure, leichtes Vanille, fleischig, kurz im Abgang
WF: 8.0 (gut)
Bezugsquelle: Caratello
Preis: CHF 25.-
Domenico Clerico! Ein Name der ziemlich gross am Weinfirmament leuchtet. War er bis vor Kurzem in luftigen Höhen unterwegs, scheint er nun auf der Erde gelandet zu sein. Sein Raumschiff ist das neu erstellte Weingut etwas ausserhalb von Monforte d’Alba. Es sieht nicht nur ein bisschen wahnwitzig aus. Sondern komplett! Wie grossen Spinnenbeine sehen die abgerundeten Träger aus welche die Stahlkonstruktion
tragen und scheinbar das Innere des Gebäudes schützen. Der neue Standort, welcher Luftlinie etwa einen Kilometer vom Geburtshaus von Maestro Domenico Clerico steht, ist wohl gewählt. Fast zuoberst an einen Hang geklebt und eine wunderschöne Szenerie überblickend. Die komplette Weinkellerei wirkt hypermodern. Es scheint als sei sie für eine Produktionsmenge gebaut, die gut und gerne in die Millionen von Flaschen geht. Doch weit gefehlt. Domenico Clerico produziert gerade mal etwas mehr als 90‘000 Pullen pro Jahr. Vielleicht liess der gewiefte Winzer für die Zukunft bauen und will das erst 1979 aufgebaute Gut von aktuell etwas mehr als 20 Hektaren in eine neue, grössere und galaktischere Zukunft steuern? Vielleicht. Platz hätte er zumindest genug.
Sein Barbera d’Alba ist modern gemacht. Dies trifft ausnahmslos auf alle seine Weine zu. In der Nase zeigt er schöne Geschmeidigkeit und eine ziemlich üppig-dichte sowie rote/dunkle Frucht. Neben Brombeeren auch hintergründige Heidelbeeren gepaart mit etwas Cremigkeit und Süsse. Im Gaumen ist er «straight», frisch und zeigt doch ein breites Rückgrat an präsenter Säure. Da die Traubensorte Barbera von Natur aus verhältnismässig wenig Tannin aufweist, muss die spürbare Trockenheit im Gaumen wohl von den 50% neuen Barriquefässern stammen. Der Abgang ist fleischig und einen Tick zu kurz geraten. Hier wünschte man sich etwas mehr «Body and Soul». Er wirkt im längeren Nachhall ein klein wenig «platt» und irgendwie volumenlos. Doch für einen Barbera im Preissegment von €20 ist er trotzdem ordentlich geraten.
Vor Ort konnten wir die neusten Jahrgänge aller Weine Domenico Clericos verkostet. Wir waren – als Liebhaber von durchaus markigen Überseeweinen – ziemlich angetan von der Wucht und Pracht der Barolos [dazu im Verlaufe des Juni dann mehr]. Es ist schon so, dass man mit Fug und Recht behaupten kann, dass es bei Clericos Preziosen nicht um klassische Weine aus dem Piemont handelt.
Aber wer weiss, vielleicht werden Sie mal Klassiker…
«TRÈS JOLY!! ODER: DYNAMISCHES TRIO FURIOSO»
Biologisch, nachhaltig oder irgendwie «grün» ist momentan «en vogue» und sehr gefragt! Egal ob
bei Fleisch, Obst, Gemüse, Müsli, Öl, Nüsse, Mehl, Holz, Auto oder tausend Dinge mehr. Der moderne und bewusste Konsument kauft vermehrt verantwortungsvoll und gewissenhaft
ein.
Ob diese Einstellung genauso beim Weinkauf funktioniert, ist schwer zu sagen. Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Bei einem einfachen Malbec aus Argentinien verzichtet man möglicherweise auf den Kauf. Sei es wegen des Transports, des eigenen ökologischen Fussabdrucks oder vielleicht wegen des austauschbaren Gaumeneindrucks. Doch bei einem unnachahmlichen «Purple Angel» aus Chile oder einem «Harlan» aus Kalifornien drückt man manchmal wohl beide Augen zu, stellt das Gewissen ab, schärft um so mehr seinen Gaumen und programmiert sein Erinnerungsvermögen auf «verdrängen». Homo «Oenologicus» quasi…oder so.
Immer mehr Winzer bekennen sich zur Natur und damit zu naturnahen Anbaumethoden. Sie stellen auf pseudo-Grün, Grün mit Kupfer, Bio, Bio-Dynamie oder andere weniger belastende Praktika um. Das entzückt alle Naturbegeisterte und Gewissensbeisser. Doch auch Weinfreunde ohne Sinn für die fortschreitende «Veganisierung» der Welt sollten sich den einen oder anderen Gedanken dazu machen. Immerhin könnte es sein, dass sie auf diese Weise ein wenig «bewusster» und inspirierter trinken. Die Frage sei hier berechtigt, wie überhaupt ein möglichst naturbelassener Wein denn so schmeckt? Ist er im Gesamtbild irgendwie eigen oder sogar aussergewöhnlich? Gibt es Alleinstellungsmerkmale welche diese Weine besonders hervorheben? Falls ja, welche wären dies? Es sind also einige Fragen zu beantworten. Na dann – ran an die Korken!
Es gibt unseres Erachtens fast niemanden der sich besser für einen solchen Test eignet als Nicolas Joly. Er ist so etwas wie ein Apostel oder «Gandalf» der Bio-Dynamie. Mit seinen Weinen brachte er den «Stein» so richtig ins Rollen. Mittlerweile ist aus diesem Steinchen richtiggehend ein Bergrutsch geworden. Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts übernahm er das elterliche Weingut. Kurz darauf, fing er an so «rein» wie möglich zu arbeiten. Seine einfache und dem gesunden Menschenverstand entsprungene Theorie war, dass nur ein giftfreies, sauberes und in sich abgestimmtes und funktionierendes Ökosystem, kerngesunde Trauben hervorbringen kann. Dies setzte er entsprechend in die Tat um. Dass die Weine dadurch nur profitieren konnten und besser würden, stand für ihn niemals zur Diskussion. Seine drei Preziosen sind heute legendär, rar und hochgeschätzt. Es sind Erzeugnisse aus Chenin Blanc. Reinsortig. Ehrlich. Pur. Die hochinteressante Traubensorte ist bekannt für ihre mineralische, säurebetonten Tropfen. Genau dies belegen Joly‘s drei Weinjünger eindrücklich…
LE CLOS DE LA BERGERIE, 2012
Aus dem AOC Savennières Roche aux Moines. Man sieht selten so ein prachtvolles Goldgelb vor sich. Dazu scheint der Wein so rein und glänzt wunderschön. Zu Beginn wollte der arme Tropf nicht so richtig kommunizieren. Zeigte einem die zaghafte und kalte Schulter. Damit aber auch gleichzeitig zarte Düftchen nach Quitten, Äpfel und Kamille. Doch plötzlich war er dann da. Irgendwie exponentiell und einer Welle gleich, türmte er sich enorm auf und zeigte wozu er fähig ist. Zuerst exotisch-aufregend und etwas später dann irgendwie leicht verhalten, klassisch und majestätisch. Es fällt dem geneigten Liebhaber schwer den Rüssel aus dem Glas zu nehmen. Man will einfach nicht aufhören zu riechen und zu geniessen. Hedonismus pur! Im Mund gewaltige Aromen die irgendwie «natürlich», kraftvoll und ziemlich einmalig wirken. Es ist fast unmöglich zu beschreiben welche Noten tatsächlich vorherrschen und dominant sind. Denn alles ist in Balance und der Wein wirkt «komplett». Ausbalanciert, rund, geschmeidig, seidig, mit superber Viskosität und perfekt zupackender Säure. Die gewünschte Dosis Botrytis [keine Sorge, ist trocken ausgebaut] gibt ihm etwas Einmaliges und Originelles. Der Wein zwingt Dich jedesmal – zumindest geistig – in die Knie bringt Dich auf jeden Fall zum Nachdenken. Dazu hat man jedoch auch alle Zeit der Welt. Der Abgang hält den Geniesser minutenlang bei Laune.
WF: 9.5/10.0 (ausgezeichnet bis genial)
+++
LES VIEUX CLOS, 2012
Er ist nicht so komplex wie der Clos de la Bergerie. Doch er hat durchaus viel Persönlichkeit. Ein lebendiger Bursche, der sich von Anfang an gut trinken lässt. Er ist ein Langstreckenläufer und hat eine gute Kondition. Dazu ist er frisch und wunderbar fruchtig. Die Mineralität ist aussergewöhnlich. Durch seine tänzerische Lebendigkeit auf dem Gaumen wird er entsprechend auch nie langweilig. Auch drei Tagen nach dem Öffnen wurde er nicht müde oder stumpft. Im Gegenteil: Wie sein grosser Bruder baute er sich in dieser Zeit eher auf und wurde immer fitter und besser.
Ein toller Wein der alle Vorzüge von Chenin Blanc auf feine, subtile und hintergründige Weise aufzeigt.
WF: 8.5/10.0 (sehr gut)
+++
CLOS DE LA COULÉE DE SERRANT, 2012
Ein Wein der bewegt. Nur wenige Tropfen werden «heisser» und kontroverser diskutiert als der Coulée. Die einen lieben ihn und die anderen können schlichtweg nichts mit ihm anfangen. Ganz stumpfe, geschwollene und damit böse Zungen behaupten sogar, der Wein wäre der Lage unwürdig. Was wir jedoch – mit grosser Überzeugung – als Fehleinschätzung sehen. Zugegeben, es gibt einfachere Weine. Sie kommen und gehen. Bleiben aber nie lange in Erinnerung. Einen Coulée de Serrant vergisst man aber mit Sicherheit NIE! Jawohl: GROSSBUCHSTABEN! Er ist eine Art «Einzelkämpfer» der sich jedem Trend entzieht. Er «geht» eigene Wege. Mit ihm drückt Nicolas Joly die «perfekte Symbiose» aus purer Natur und seiner eigenen Schaffenskraft aus. Der Coulée de Serrant ist eine Appellation für sich. Die Lage erstreckt sich etwa über sieben Hektaren und ist ein «Monopole» der Familie Joly. Die Mönche erkannten schon im zwölften Jahrhundert das Potential des Bodens und Mikroklimas. Sie waren es, die anfingen dort Reben zu kultivieren. Der grosse französische Gastro- und Weinkritiker Curnonsky [Maurice-Edmond Sailland] zählte die Lage bereits vor fast 100 Jahren zu den fünf besten für Weisswein in Frankreichs. Der Coulée de la Serrant ist in allen Belangen ein grosser, einzigartiger und faszinierender Wein. Trotz seiner Jugend spürt man seine Klasse und Eleganz. Mit seiner Aura umgarnt er [fast] jeden Geniesser und lässt ihn [beinahe] nicht mehr los. Mit viel Tiefgang pflügt er unvergessliche Momente ins önologische Gedächtnis. So etwas können nur ganz Grosse Weissweine. Beim Genuss glaubt man irgendwann die Wahrheit zu kennen. Man lässt sich auf den sanften Schwingen tragen und geniesst den Moment der scheinbaren Ewigkeit. Jeder Schluck gleicht einem Erweckungskuss von «Mutter Natur».
WF: 10.0/10.0 (genial bis «wow, das gibt's doch nicht!»)
Alle Weine von Nicolas Joly waren inspirierend, ehrlich und qualitativ hochstehend. Der Clos de la Coulée war sogar erschreckend erweckend. Ob Bio, Natur, Bio-Dynamie oder nicht: Die Weine sind es wert verkostet zu werden. Persönlich ist man geneigt zu behaupten, dass sich der Weg, der uns näher an die Natur zurückführt, durchaus lohnt. Technischer Fortschritt ist gut. Doch sollten wir uns hie und da wiedermal erden und bewusst werden, woher wir kommen und wohin wir gehen. Der Umwelt, dem eigenen Gaumen aber auch langfristig unserer eigenen Gesundheit zuliebe!
Buzugsquelle: Küferweg - Weine mit Profil
Preise: Les Vieux Clos CHF 36.- | Le Clos de la Bergerie CHF 49.- | Clos de la Coulée de Serrant CHF 79.-
Text IB, MT
«SPECIE RARA – EINE GEFÄHRDETE ART»
Château Rocheyron, 2011
Weinbewertung: 3. Mai 2016
Herkunft: Frankreich, Bordeaux (St. Émilion)
N: Sehr edel, Mineralität, Beeren, Holunder, Minze, Zedernholz
G: Kirschen, Tiefe, extrem schöne Balance, filigran
WF: 9.5 (genial)
Bezugsquelle: DenzWeine
Preis: CHF 118.-
Kommentar: Der Rocheyron ist tatsächlich ein zartes Pflänzchen welches es in mehrfacher Hinsicht zu schützen gilt. Einerseits ist das Projekt von Silvio Denz und Peter Sisseck ein vergleichbar junges Gemeinschaftswerk dem es Sorge zu tragen gilt. Andererseits ist das bisherige Resultat so umwerfend charmant, filigran und irgendwie feminin, dass es im Saint-Émilion schlicht wenig bis nichts Vergleichbares gibt.
Die Nase ist fein, präzise auf den Punkt gebracht und sehr sinnlich. Der Tropfen wirkt durch seinen angenehmen Duft äusserst tief und gleichzeitig subtil sowie zart. Die Frucht ist sehr schön und in der Anzahl an unterschiedlichen Aromen üppig ausgestattet. Allerlei Beeren, Holunder, feinsten Kirschen und sogar Pralinen riecht und assoziiert man.
In der zweiten Reihe machen sich mineralischen Noten [dem Terroir entsprechend], rauchige Würze, heller Tabak, Kräuter sowie Lederanklänge bemerkbar. Das Ganze wird begleitet von einer dezenten und feinen Süsse. Wie bereits in einer früheren Verkostung verströmt der Wein eine beeindruckende Ruhe und Stabilität aus. Der «Auserwählte» welcher den Rocheyron trinken darf, sollte wissen, dass er es mit einer grossen önologischen Persönlichkeiten zu tun hat.
Am Gaumen fällt einem als Erstes seine enorme Eleganz auf. Frucht, Säure und Tannine sind im perfekten Einklang und Gleichgewicht. Er ist seidig, fein ziseliert, raffiniert und wunderbar rund. Man hat es mit keinem Vanille-Tannin-Bulldozer – wie doch viele Saint-Émilion manchmal sein können – sondern einem vornehmen, eleganten und tiefsinnigen Genuss-begleiter zu tun. Seine «körperliche» Feingliedrigkeit hat etwas von einem kenianischen Marathonläufer. Er hat viel Ausdauer und in jeder Phase die richtige Dosierung an Kraft. Diese Power wird dem Rocheyron mit Bestimmtheit noch ein langes Leben sichern. Die Frische und Ausgewogenheit wirkt sehr trink-animierend und belebend. Der lange Abgang bestätigt noch einmal all seine Qualitäten und trifft einen mit voller und balancierter Wucht.
Doch aufgepasst, es ist ein Wein der gesucht und gefunden werden möchte und sollte. Denn er überzeugt sublim und unter der primären Empfindungsschwelle. Dies ist wohl zu einem grossen Teil auch daran gelegen, dass der Rocheyron untypischerweise einen beträchtlich hohen Anteil an Cabernet Franc aufweist. Dieser macht ihn nach Aussage der Winzer und Besitzer eher feingliedrig, floral und gibt ihm die auffallende Mineralität mit auf den Weg.
Silvio Denz und Peter Sisseck ist mit dem Rocheyron eine wunderbar neue Symphonie oder Komposition des Gebiets Saint-Émilion gelungen. Sie entziehen ihn komplett dem momentanen Mainstream, dass alles immer «fetter» und breiter sein sollte. Der Wein zeigt nachdrücklich, dass Eleganz und Raffinesse noch lange nicht ausgestorben sind.
Er ist eine seltene Spezies und gleichzeitig ein Versprechen an die Zukunft.
Text: IB/MT